Fröhliche Kinder aus Tschernobyl zu Gast im Kirchenkreis

Fröhliche Kinder aus Tschernobyl zu Gast im Kirchenkreis

Ev.-luth. Gemeinde Togliatti

Eine Reise nach Togliatti

Zum Hintergrund: 2014 hat Pastorin Tatjana Shivoderova mit behinderten jungen Erwachsenen/Jugendlichen und deren Eltern (zusammen 20 Personen) vom 21. - 28.06. das Festival “Kultur am Rande” in Reutlingen besucht und dabei Pastor Enz und Vikar Leiding (spricht perfekt russisch) kennengelernt. Dies animierte Werkstattleiter Krause zum Besuch in Togliatti, um zu erfahren, wie die diakonische Arbeit dort unterstützt werden könnte. Lesen Sie nachfolgend ihren Bericht:

Rückblick: Besuch aus und nach Togliatti

Eine Kirchenkreis-Delegation besuchte die russische Partnergemeinde Togliatti zum Jubiläumsgottesdienst am 6.10.2013 und gratulierte zum 10jährigen Bestehen der dortigen lutherischen Gemeinde. Pastor i.R. Horst-Ulrich Braun und Jürgen Schmidt überreichten als Geschenk des Kirchenkreises ein Keyboard für die Begleitung der Gottesdienste. Vor Ort besichtigten die Gäste mit Pastorin Tatjana Shiwoderowa die gemeindlichen Projekte für behinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Förderung, Elternberatung, Begegnung und Freizeiten werden durchgeführt. Etwa 3.250 schwerbehinderte Kinder und Jugendliche leben in Togliatti. Besuche bei Gemeindemitgliedern ergänzten das Begegnungsprogramm. In einem offiziellen Gespräch mit Igor Andreev, Oberbürgermeister von Togliatti, wurde die die Weiterentwicklung der gemeindlichen Arbeit mit behinderten Menschen besprochen und Gastgeschenke ausgetauscht, auch von der Stadt Wolfsburg, die mit der Stadt Togliatti eine Städtepartnerschaft unterhält.

Im Mai 2013 hatte Pastorin Shiwoderowa mit Gemeindemitgliedern bei Besuch in Wolfsburg die Einladung zum Jubiläum nach Togliatti ausgesprochen. Die enge Verbindung der Gemeinde zeigt sich in der deutsch-russischen Jubiläumsschrift. Unter der Überschrift „Wiedergeburt der Gemeinde“ werden Frau Lore Engelkes, Pastor Horst-Ulrich Braun und Pastor Markus Schoch als diejenigen benannt, die die Gemeinde 2002 – 2003 gründeten. Erster Pastor war Friedhelm Brockmann, ehe die heutige Pastorin  Tatjana Shiwoderowa 2003 die Gemeinde übernahm. Togliatti liegt an der Wolga und hat etwa 700.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Wie Wolfsburg ist Togliatti eine Autostadt und wird geprägt durch das örtliche Lada-Werk. Viele westeuropäische Firmen lassen in Togliatti Fahrzeugkomponenten herstellen. Die Delegationsreise wurde finanziert vom Kirchenkreis und unterstützt durch Eigenmittel, Mittel der Stadt Wolfsburg und des Gustav-Adolf-Werkes.
Horst-Ulrich Braun berichtete am 10.Oktober Superintendentin Hanna Löhmannsröben ausführlich über den Besuch, die Entwicklungen der Gemeinde und erörterte Perspektiven der weiteren Entwicklung der Partnerschaft. Die Superintendentin zeigte sich dankbar und erfreut über den intensiven Austausch vor Ort und bat Horst-Ulrich Braun und den Missions- und Partnerschaftsausschuss des Kirchenkreises unter Leitung von Pastor Peter Placke, die Strukturen der Partnerschaft mit der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Togliatti weiter zu entwickeln.

Foto: Horst-Ulrich Braun überreicht Superintendentin Hanna Löhmannsröben die Jubiläumsschrift zum zehnjährigen Bestehen der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Togliatti an der Wolga.

Partnerschaft zwischen dem Ev.-luth. Kirchenkreis Wolfsburg-Wittingen und der Ev.-luth. St. Georg-Gemeinde Togliatti

Einige Informationen zur Stadt Togliatti: Togliatti liegt ca. 1000 km südöstlich von Moskau am Ufer des Wolga-Stausees. Gegründet wurde die Stadt 1737. Ursprünglich hieß sie „Stawropol“. Ab 1950 wurde dasWolga-Stauwerk gebaut. Stawropol lag im Überschwemmungsgebiet und wurde an das linke Ufer des Sees verlegt. Seit 1964 erhielt diese neue Stadt den Namen Togliatti (nach einem bekannten italienischen Kommunisten). Togliatti hat heute ca. 750 000 Einwohner  und ist ein Industriezentrum mit einem großen Autowerk, Maschinenbaubetrieben sowie Chemie- und Lebensmittelindustrie. In der Stadt gibt es sechs Universitäten bzw. Hochschulen und wichtige kulturelle und sportliche Einrichtungen.

Die Städtepartnerschaft Seit 1991 besteht die Städtepartnerschaft zwischen Wolfsburg und Togliatti. Schon 1981 (zur Zeit der Nachrüstungsdebatten) hatten Friedensgruppen in Wolfsburg mit Unterstützern aus dem Ev.-luth. Kirchenkreis Wolfsburg die Partnerschaft mit einer „sowjetischen Stadt“ gefordert. Wenig später wurde dann die Autostadt Togliatti als geeigneter Partner für den VW-Standort Wolfsburg vorgeschlagen. 1988 organisiert die Industriediakonie in Wolfsburg (Arche)den ersten Besuch einer Wolfsburger Gruppe in Togliatti., der zu Kontakten führte, die bis heute bestehen.

Wie entstand die Ev.-luth. Gemeinde in Togliatti? Im „Deutschen Kulturzentrum“ der Stadt treffen sich regelmäßig Menschen, die deutschstämmig oder an der deutschen Kultur besonders interessiert sind. In den Räumen dieses Zentrums wurden seit 1998 regelmäßig am Sonnabend ev.-luth. Gottesdienste gefeiert - in deutscher Sprache mit russischer Übersetzung. Anschließend wurde Konfirmandenunterricht erteilt. Die Pastoren kamen dazu aus Samara oder aus Uljanowsk, wo es schon seit dem  19. Jahrhundert ev.-luth. Gemeinden gibt. Für die Menschen mit deutscher Abstammung sind diese religiösen Angebote eine Hilfe, sich ihrer „Wurzeln“, also ihrer Herkunft und ihrer Kultur zu vergewissern. In der Zeit der Perestroika, in der der Sozialismus immer mehr seine prägende Kraft verliert,entdecken sie wieder den Glauben als „Heimat“ und Identifikationspunkt in ihrem Leben. Aber auch Menschen anderer ethnischer Herkunft beginnen sich für den lutherischen Glauben zu interessieren. Angeregt durch die Städtepartnerschaft zwischen Togliatti und Wolfsburg nahm im Jahre 1998 erstmals Pastor Bareis Kontakt zum Kirchenkreis Wolfsburg auf. Pastor Bareis ist württembergischer Pastor und war zum Dienst in der Gebietshauptstadt Samara (ca. 100 km südlich von Togliatti) entsandt. Er und sein Nachfolger, Pastor Markus Schoch, baten um Unterstützung für die kleine Gruppe lutherischer Christen in Togliatti. 2002 und 2003 entsandte der Wolfsburger Kirchenkreis den Pastor i.R. Friedhelm Brockmann und  Diakonin i.R. Lore Engelkes zu dreimonatigen Einsätzen nach Togliatti. Ihre Aufgabe war es, die Gemeinde zu vergrößern und sie organisatorisch und geistlich zu stärken. Seit Herbst 2003 ist die Gemeinde von den russischen Behörden offiziell als eine Gemeinde der Ev.-luth. Kirche in Russland, der Ukraine, Kasachstans und Mittelasiens (ELKRAS) anerkannt. Die Gemeinde hat ca. 50 Mitglieder und wird geleitet von Pastorin Tatjana Schivodjorova. Seither hat es mehrfach gegenseitige Besuche in Togliatti und Wolfsburg gegeben.

Eine gute Möglichkeit zu Begegnungen sind die Deutschen Evangelischen Kirchentage, zu denen seit 2005 regelmäßig Gemeindeglieder aus Togliatti anreisen. Für sie, die als Lutheraner in Russland oft als sektiererische Minderheit angesehen werden, sind diese Treffen mit tausenden Menschen, die den gleichen religiösen Hintergrund haben, immer wieder eine ermutigende Erfahrung.

Das besondere diakonische Engagement der Gemeinde Seit  2008 hat die Kirchengemeinde - angeleitet von ihrer Pastorin - ein ganz besonderes sozial-diakonisches Profil entwickelt. Sie engagiert sich in der Arbeit für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderungen. Diese jungen Menschen und ihre Familien bekommen in Russland bisher nur wenig staatliche und kommunale Unterstützung. Die Gemeinde beteiligt sich an dem Projekt „Klub Initiative Togliatti“ (KIT) und bietet in ihren Räumen soziale und pädagogische Hilfe an. Kinder können hier in  Gruppen kreativ tätig sein, Eltern treffen sich und beraten sich mit Fachleuten. Pastorin Shivoderova ist intensiv in diese Arbeit eingebunden, organisiert Sommerfreizeiten, Sportfeste, Theateraufführungen und Reisen. Durch ihre Kontakte zu Behinderteneinrichtungen in Deutschland ermöglicht sie in vielfältiger Weise den Erfahrungsaustausch zwischen russischen und deutschen Experten. Und sie hat sich neben der laufenden Arbeit in einem  Fernstudium zur examinierten Sonderpädagogin ausbilden lassen!

In den ersten 8 Jahren ihres Bestehens hatte die Ev.-luth. Kirchengemeinde in Togliatti keine eigenen Räume. Gottesdienste (inzwischen meist in russischer Sprache), Konfirmandenunterricht, Bibelstunden, Jugengruppen und die  diakonische Arbeit fanden in wechselnden angemieteten Räumen statt. Im Jahre 2011 konnte die Gemeinde im Erdgeschoss eines Bürohochhauses (Jubilejnaja Str.31) erstmals 2 eigene Räume von zusammen 50 m² erwerben. Die beiden deutschen Diasporawerke, „Gustav-Adolf-Werk“ und „Martin-Luther-Bund“ und die Muttergemeinde in Samara haben diesen Kauf finanziell ermöglicht. Das Fest zum 10-jährigen Bestehen der Gemeinde wurde im Oktober 2013 mit vielen Gästen als Erntedankgottesdienst gefeiert. Die Jugendlichen des KIT-Projektes führen ein Theaterstück auf . Pastorin Shivoderova schrieb dazu: „Es war sehr erfreulich zu sehen, dass wir nicht mehr nur eine so kleine Gemeinde sind, sondern dass wir eine Gemeinde mit Partnern aus Wolfsburg, Berlin, Samara, Uljanowsk, aus dem Martin-Luther-Bund und dem Gustav-Adolf-Werk,  also ein Teilchen des weltweiten Luthertums sind.“

Die heutige Situation der Ev.-luth. St. Georg-Gemeinde in Togliatti Im September 2016 konnte die Gemeinde einen weiteren wichtigen Schritt in ihrer Entwicklung tun. Sie erwarb ein eigenes Haus: Togliatti, Yushnoye Shosse 67A . Das inmitten von vielstöckigen Wohnblocks neben einem öffentlichen Spielplatz stehende Gebäude  war vorher als Sauna genutzt worden. Wieder war es vor allem das Gustav-Adolf-Werk, das den Kauf ermöglichte.

Im September 2018 feierte die Gemeinde ihr 15-jähriges Bestehen mit einem Festwochenende, zu dem auch wieder Vertreter der unterstützenden Organisationen aus Deutschland eingeladen waren. Vom Ev.-luth. Kirchenkreis Wolfsburg-Wittingen nahmen wir zu dritt daran teil: Frau Birgitt Michel (häufig Gastgeberin für Besucher aus Togliatti), Pastor Peter Placke (Vorsitzender im Partnerschaftsausschuss) und Pastor i.R. Horst-Ulrich Braun (Beauftragter für die Partnerschaft zur russischen Kirchengemeinde).

Mittelpunkt der festlichen Aktivitäten war  das Haus der Gemeinde. Wir Wolfsburger hatten bisher nur Fotos vom Umzug gesehen. Nun konnten wir uns davon überzeugen, dass hier tüchtig renoviert worden ist und dass dieses schlichte Haus trotz seiner geringen Größe vielfältige Möglichkeiten für die Gemeindearbeit bietet und auch sehr geschickt dazu genutzt wird.

Ansprechpartner

Pastor i.R. Horst-Ulrich Braun

Partnerschaft zwischen dem Ev.-luth. Kirchenkreis Wolfsburg-Wittingen und der Ev.-luth. St. Georg-Gemeinde Togliatti