"Paulus fixt mich an"

Nachricht 26. August 2025

Wolfsburger Industrieseelsorger Dirk Wagner verabschiedet

Er kam nach Wolfsburg, als VW gerade der Dieselskandal um die Ohren flog.  Dirk Wagner war Industrieseelsorger in Wolfsburg und auch Hochschulpfarrer in Hannover.

Du hast fast drei Jahrzehnte als Bauingenieur Straßen gebaut, auch Landebahnen für Flugzeuge und  Industriefußböden gebaut, Pipelines instandgesetzt. Und dann bist Du Pastor geworden. Weshalb? 

Dirk Wagner 
Irgendwann fragt man sich: War das alles? Mir war es ein Bedürfnis, noch mal bestimmten Fragen nachzugehen. Ich habe zunächst völlig zweckfrei Theologie studiert an der Uni Marburg. Neben meinem Beruf habe ich nicht nur Griechisch und Hebräisch gepaukt, sondern ganz regulär Theologie studiert. Das war eine erfüllte und eine harte Zeit. Und dann ergab sich die Möglichkeit, doch noch ins Pfarramt zu gehen, was zunächst gar nicht meine Absicht war. Nach dem Vikariat in Kurhessen-Waldeck, da war ich ja bereits Mitte 50, bekam ich ein Angebot der hannoverschen Landeskirche. „Wären Sie auch bereit, neben einer Stelle in Celle nach Wolfsburg zu gehen?“, frage damals die Personalverantwortliche. „Ja okay, ich habe immer mehrere Baustellen gleichzeitig gehabt, kein Problem“, war meine Antwort.

Industrieseelsorger bist Du seit 2015 in der VW-Stadt – das war ja für Dich genau die richtige Stelle.

Dirk Wagner  
Als Vermessungsingenieur habe ich viel gesehen, ich weiß, wie Menschen in der Industrie ticken, ich kenne die Strukturen. Wir müssen als Kirche auch zu den Leuten gehen, die nicht unbedingt was mit Kirche zu tun haben. Die brauchen auch das Evangelium, die brauchen auch Zuspruch, die sollen auch wissen, dass Kirche auch für sie da ist. Es war für mich ein Glücksfall, dass die Landeskirche diese Stelle in Wolfsburg geschaffen hat.

Kirche sei die Agentur der Hoffnung, hast Du mal gesagt. Wofür ist die christliche Botschaft heute noch relevant?

Dirk Wagner 
Kirche ist heute eine Stimme unter vielen, wenn auch eine wichtige und gewichtige. Weil sie andere Dimensionen hat. Unsere Botschaft geht über das hinaus, was sichtbar ist. Damit ist sie einzigartig, sie hat eine Zukunftsperspektive. Ob Leute damit etwas anfangen können, hängt immer auch von Sozialisation und familiärem Hintergrund ab. In meinen Veranstaltungen sind viele Agnostiker, einer sagte mal: „Du hast mich vom Atheisten zum Agnostiker gemacht.“ Wir dürfen unsere Botschaft nicht aufgeben und auch nicht so sperrige Leute wie Paulus – wenn man sich damit erstmal beschäftigt, dann fixt einen das an. 

Und trotzdem bist Du als junger Mensch aus der Kirche ausgetreten?

Dirk Wagner 
Bis ich 50 wurde, war die Theologie mein Hobby. Ich hatte ja schon mal angefangen, Theologie zu studieren, es dann aber wieder abgebrochen, weil ich gedacht habe, ich kann den Leuten ja gar nichts erzählen aus dem Leben, aus dem wirklichen praktischen Leben. Ich wollte einen richtigen Cut machen. Später habe ich gemerkt: Ganz ohne Kirche geht es nicht. Ich brauche den Austausch mit Gleichgesinnten, die Gemeinschaft und auch das Abendmahl.  

KK-Öffentlichkeitsarbeit

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Industrieseelsorge Wolfsburg

Neben Seelsorge insbesondere beim größten Arbeitgeber der Region entwickelte Dirk Wagner die Wolfsburger Gespräche rund um Mobilität, Energie, Technik und Ethik. Er kooperierte intensiv mit Partnern wie der IG Metall, der Ingenieurskammer Niedersachsen und Wolfsburger Bildungsanbietern.

Bildungsurlaube mit Pilgertouren und Vernetzung unterschiedlichster Akteur:innen in der Industriestadt Wolfsburg – auch das gehörte zum Angebot des Industrieseelsorgers. Als Ruheständler will Dirk Wagner seine Lehraufträge zu Technik- und Wirtschaftsethik und zur Reformationsgeschichte an der Hochschule Hannover fortsetzen