Das schöne Reden von der Zivilgesellschaft als konkrete politische Utopie bleibe immer öfter hohles Gerede. Dass Menschen schlicht keine Zeit und Kraft mehr für Ehrenämter hätten, bedeute in der Summe eine fundamentale Veränderung gesellschaftlicher Strukturen in Deutschland. „Es bedeutet Entgemeinschaftung.“ Das beträfe alle gleichermaßen: Sport- und Schützenvereine, Feuerwehren und Naturschutzverbände, Kirche und Diakonie.
Kirche hält den Himmel offen
Der gelernte Jurist Prantl, der nicht nur journalistisch tätig war, sondern auch als Staatsanwalt und Richter, bekannte sich als Christ. Ein Kirchenaustritt käme für ihn nicht in Frage, allen Missbrauchs- und Vertuschungsskandalen zum Trotze. „Ich kann und will nicht aus meinem Leben austreten.“ Kirche sei ihm Heimat, sei für ihn das, was es ohne die Kirche nicht gäbe. „Es gäbe die Räume nicht, in denen Wörter wie Barmherzigkeit, Seligkeit, Nächstenliebe und Gnade ihren Platz haben.“ Wer wie der christliche Gott wisse, was Leiden sei, bei dem sei das Leiden der Menschen gut aufgehoben. Dennoch habe er die Gemeinschaft der Gläubigen nie so wenig gespürt und erlebt wie in der Corona-Zeit. „Die Kirche kann der Ort sein, der den Himmel offenhält“ , mahnte und erinnerte Prantl.
Lebensmitteltafeln sind ein Skandal
Wo der Himmel offengehalten werden müsse, machte Prantl auch an Beispielen wie Hartz IV, Grundsicherung und dem Umgang mit Alter und Sterben deutlich. Es sei für die Demokratie höchst relevant, wie der Staat mit Menschen umgehe, die auf unterstützende Leistungen angewiesen sind. Die Anzahl der Lebensmitteltafeln habe sich seit Einführung der Hartz-IV-Gesetze vervielfacht, die Spaltungslinien der Gesellschaft verliefen nicht mehr nur zwischen arbeitenden und arbeitslosen Menschen. „Jede der 947 Tafeln in Deutschland steht für ein Loch im Sozialstaat. Es wäre ein Skandal, wenn es diese Tafeln nicht mehr gäbe. Es ist aber auch ein Skandal, dass es sie geben muss.“
Der innere Frieden ist bereits prekär
Eine Demokratie vertrage es nicht, wenn Menschen ausgegrenzt würden: Arbeitslose, sogenannte sozial Schwache, Menschen mit Behinderungen, Ausländer, Flüchtlinge, Einwanderer. „Demokratie und Sozialstaat gehören zusammen!“ Bürgerinnen und Bürger in einer Demokratie bräuchten eine leidlich gesicherte Existenz, sie müssten frei von Angst um die eigenen Lebensverhältnisse sein können. Den Abriss des Sozialstaates könne nur der verlangen, der keine Heimat brauche, der in der eigenen Villa lebe. Ohne einen sich klug weiterentwickelnden Sozialstaat werde das Gemeinwesen entzündlich wie ein Blinddarm und der innere Frieden prekär.
„Wir müssen lernen, dass die Schwachen gar nicht so schwach sind, wie man oft meint und dann ihre Stärken, die Perfektion des Imperfekten, schätzen lernen“, so Prantls Plädoyers für eine gemeinschaftliche Gestaltung von Demokratie. Denn schwach sei nicht ein Mensch, der arm ist, sondern schwach sei der Staat, der es nicht schaffe, Menschen aus der Armut zu holen.
Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis / Frauke Josuweit