Singen gegen die Verlorenheit

25. April 2022
Foto: Kirchenkreis Wolfsburg-Wittingen / F. Josuweit

Bonhoeffer-Gemeinde bietet Raum für ukrainische Gäste

Freitagsabend tanzen gehen wäre schön, singen ist auch eine gute Alternative. In der Westhagener Bonhoeffer-Gemeinde treffen sich dazu seit Anfang April ukrainische Gäste. ‚Gebet für die Ukraine‘ heißt es einer der Lieder, die sie singen. „Uns fehlt die Gemeinschaft, deshalb kommen wir hierher“, sagt der Mittdreißiger Wolodymyr. Er ist einer von drei Männer und 15 Frauen, die um Chorleiter Paul Schaban zusammengekommen sind. Auch Alina gehört zum Chor. Die 35-Jährige weiß, was Krieg ist. Bereits 2015 ist sie aus Donezk geflohen. „Als es in Kiew anfing, wusste ich sofort, was das bedeutet.“ Sie macht sich auf den Weg nach Westen, wie die meisten ihrer Bekannten und Freunde.

Die zweite Flucht innerhalb von sieben Jahren ist es auch für Irina. „Ich kenne den Klang von Bomben und Sirenen. Mein Gedanke war: Ich habe keine Chance, wenn ich hierbleibe. Ich hatte Angst, dass sie mich erschießen werden.“ Ein Leben auf gepackten Koffern, über Jahre. Die 52-Jährige ist Diplom-Ingenieurin und Diplom-Bankkauffrau. In Kiew nach ihrer Flucht aus Donezk soll sie Entwicklungsmanagerin eines Frauenmagazins werden, der Verlagsinhaber entdeckt ihr Schreibtalent und so wird sie Korrespondentin des Magazins. Und zeigt auf Ihrem Handy Seiten dieses Magazins, mit Interviews, die sie geführt hat. Zeugnisse eines Lebens, das es nicht mehr gibt.

„Ich fühle mich nicht sicher, ich habe Angst, dass Putin auch die NATO anfällt.“ Dennoch möchte sie ihre Dissertation über das „Phänomen der Aktfotografie im 21. Jahrhundert“ abschließen. Ihr Ziel: in einem europäischen Museum arbeiten zu dürfen. „Am liebsten in Berlin, im Helmut-Newton-Museum.“ Ein unrealistischer Traum? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht ermöglicht er das Weiterleben.

„Wenn wir singen, preisen wir Gott. Das ist mein Leben.“ Wie Irina kommt Natalia ursprünglich aus Donezk, jetzt aus Kiew. Als die ersten Bomben fielen, ist sie mit ihren beiden Kindern nach Polen geflohen, über facebook erfährt sie von Paul Schaban. „Familie in Wolfsburg nimmt Mutter mit zwei Kindern auf“, lautete sein Post. Vier Wochen leben Natalia und ihre halbwüchsigen Kinder mit einer Wolfsburger Familie, mittlerweile haben sie eine eigene Wohnung.

Anders als Irina fühlt sich Natalia jetzt sicher. Auch ihr größter Wunsch ist ungewöhnlich, sie möchte den Willen Gottes erfüllen, sagt sie. Natalia bezeichnet sich als fromm. Ihr Traum: „Ich möchte Missionarin in Papua Neuguinea werden.“

„Wer in ein fremdes Land kommt, braucht Gemeinschaft“, weiß Paul Schaban, der vor 26 Jahren aus der Ukraine nach Deutschland kam. „Du bist verloren in einem anderen Land mit einer anderen Sprache und einer anderen Kultur.“ Gemeinschaft und Zusammenhalt könne Depressionen verhindern, also lädt er über WhatsApp ein zum Singen. Raum dafür bietet die Bonhoeffer-Gemeinde in Westhagen.

Pastor Tomás Gaete als gebürtiger Chilene weiß, was es heißt, aus einem anderen Land und einer anderen Kultur zu kommen. „Ihr seid jederzeit willkommen“, betont er. Etwas ganz Besonderes erhält Gaete von seinen Gästen: ein traditionell handbemaltes Osterei. „Wenn Du das isst, geht Dein größter Wunsch in Erfüllung“, erklärt Zlata. Die 18-Jährige ist mit ihrem Hund und ihrer Mutter in die Region Wolfsburg geflohen, sie hat das Osterei bemalt als Gastgeschenk.

Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis / F. Josuweit

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Am 15. Mai singt der ukrainische Chor um 9.30 Uhr im Gottesdienst in der Bonhoeffer-Gemeinde, Jenaer Str. 39, 38444 Wolfsburg.

Gaete, Tomas
Pastor Tomás Gaëte
Schäferkamp 8
38444 Wolfsburg
Tel.: 05361 75757
Fax: 05361 888095