Gesundheit braucht Bildung

Nachricht 07. März 2024
Foto: Kirchenkreis Wolfsburg-Wittingen / Öffentlichkeitsarbeit
Flüchtlingssozialarbeiterin Alexandra Fastnacht mit Dolmetscherinnen Dolmetscherinnen (links: Elham Molenda, rechts: Bahia Khalil)

Weltfrauentag: Schulungen für geflohene Frauen

Auch wenn der Weltfrauentag in vielen Ländern ein Feiertag ist – die elf Frauen, die heute in der Wolfsburger Flüchtlingsunterkunft in der Dieselstraße zusammengekommen sind, um etwas über Menstruationshygiene zu lernen, haben davon noch nie gehört. „Wir haben mit mehreren Schwangerenberatungsstellen in Wolfsburg Geld gesammelt für Hygieneartikel und verteilen diese jetzt zum Internationalen Frauentag an Frauen, die dafür keine finanziellen Ressourcen haben“, erzählt Alexandra Fastnacht, die in Wolfsburg als Flüchtlingssozialarbeiterin für den Kirchenkreis arbeitet. Damit wollen die involvierten sozialen Einrichtungen der Menstruationsarmut begegnen und bieten Beratungen und Schulungen rund um den weiblichen Zyklus an.

Der Bedarf ist groß. „Gerade geflohene Frauen brauchen einfach Information: Über den eigenen Körper, über Möglichkeiten, sich in unserem Gesundheitssystem zurechtzufinden oder dazu, wie sie selbstbestimmt verhüten zu können.“ Es geht also um Gesundheitsthemen. Denn Kenntnis insbesondere auch über den weiblichen Zyklus, über Sexualität und Geburtenkontrolle, Schwangerschaft und Geburt sind nicht nur kulturell geprägt. All diese Themen hängen auch sehr stark vom individuellen Bildungsstand ab. „Ich habe schon Frauen erlebt, die verhüten mit einer Spirale. Das sind aber Ausnahmen.“ Denn Bildung hänge stark davon ab, aus welchen Regionen die Frauen kommen. In sehr ländlich gelegenen Gebieten seien Frauen meist überhaupt nicht aufgeklärt, seien mit Mythen und kulturellen Ritualen belegt. Viele von ihnen hätten nie eine Schule besucht.

Artikel für Monatshygiene sind für Frauen in Flüchtlingsunterkünften ein besonderes Problem. „Sie haben meist nichts und bekommen auch nichts“, erlebt Alexandra Fastnacht immer wieder. „Wenn wir hier nicht aufklären und unterstützen würden, würden sie das nutzen, was sie haben. Das sind meist alte Lappen.“ Gesundheitliche Probleme, beispielsweise aufsteigende bakterielle Infektionen, die durchaus gefährlich werden können, sind die Folge. „Es gibt auch Regionen, in denen Frauen während der Menstruation überhaupt nicht in der Familie sein dürfen oder kein Wasser benutzen dürfen.“ Diese Konflikte zeigten sich ebenso in deutschen Unterkünften, in denen dann die Frauen hygienische Möglichkeiten nicht nutzen würden. „Sie wollen das Wasser nicht verunreinigen.“

Geld für Monatshygieneartikel? Fehlanzeige. „Geflohene Frauen erhalten Asylbewerberleistungen. Mehr nicht.“ Menstruationshygiene kostet aber Geld. „Meistens haben die Frauen dazu keinen Zugang. Die Männer müssten den Ausgaben zustimmen.“ Eine doppelte Abhängigkeit für Frauen, die Zuflucht in einem sicheren Land gesucht haben: Von ihren Männern und vom Land, in dem sie jetzt leben. Die Schulungen, die Flüchtlingssozialarbeiterin Alexandra Fastnacht in den Unterkünften für Geflohene anbietet, haben auch den Effekt, dass die teilnehmenden Frauen das, was sie gelernt und erfahren haben, anschließend in ihrer unmittelbaren Umgebung weitergeben. Sie agieren als Multiplikatorinnen.

Muntere Diskussionen gab es bereits während der Veranstaltung – ganz unabhängig von Religion, Herkunftsland oder Sprache. Hätten auch Männer teilgenommen, wäre das nicht möglich gewesen. Das wird deutlich, als eine junge Liberierin ihren Mann als Übersetzer dazu holen möchte: Alle anwesenden Frauen möchten das nicht. „Das ist auch in Einzelberatungen wichtig. Ohne Männer sprechen meine Klientinnen über ganz andere Themen.“

Weil die Männer häufig schneller als die Frauen Deutsch lernen, braucht Alexandra Fastnacht für ihre Arbeit immer Dolmetscherinnen. Die kurdische Syrerin Bahia Khalil ist eine von ihnen. Die 35jährige ist Stadtteilmutter, sie lernt seit drei Jahren deutsch und übersetzt heute in der Flüchtlingsunterkunft in der Dieselstraße ins Kurdische. Die meisten der elf Teilnehmerinnen sind Kurdinnen, sie kommen aus der Türkei, aus Afghanistan und aus dem Iran. Eine Somalierin und eine Liberierin sind auch dabei, sie behelfen sich mit einem Mix aus Englisch und Arabisch. Auch die Sozialarbeiterin der Flüchtlingsunterkunft, Elham Molenda, dolmetscht. Die gebürtige Libanesin lebt seit 1986 in Deutschland. Für die Frauen ist sie erste Ansprechpartnerin bei gesundheitlichen Fragen, sie kümmert sich um Krankenscheine und Arzttermine. Die Dolmetscherinnen, die beim Arztbesuch fast immer nötig sind, organisiert Flüchtlingssozialarbeiterin Fastnacht, finanziert werden sie über das Bundesprogramm ‚Worte helfen Frauen‘.

Normalerweise kennen die geflohenen Frauen Alexandra Fastnacht, bevor sie über Themen wie Schwangerschaft oder Verhütung ins Gespräch gekommen. „Bevor ich diese Fragen anspreche, habe ich mit ihnen in der Flüchtlingsunterkunft mindestens zweimal gekocht und geplaudert.“ Heute ist das anders, denn durch Corona war vieles lange Zeit nicht möglich. „Ich freue mich, dass vieles jetzt wieder stattfinden kann und die Frauen sich durch unsere Arbeit ein Stück besser kennenlernen.“

Kirchenkreis-Öffentlichkeitarbeit / F. Josuweit

... Menschen - Themen - Orte

Flüchtlingshilfe Alexandra Fastnacht
Samlandweg 17
38440 Wolfsburg
Tel.: 05361 8938007 oder 0175-6507226
Fax: 05361 8938009
Mobil: 0175 650 72 26