Vier Jahrzehnte Pastor: Friedhelm Meinecke geht in den Ruhestand
Seit 2017 ist Friedhelm Meinecke im Kirchenkreis Wolfsburg-Wittingen. „Gott und ich gehören zusammen“, sagt er. Man könnte diesen Satz auch als Headline für vier Jahrzehnte im Dienste der Menschen und im Dienste Gottes verstehen. Denn neben Liebe, Glaube und Hoffnung ist stets die Gemeinschaft derer, die glauben oder glauben möchten, wegleitend und motivierend für den 66-Jährigen gewesen. Die Gesetze Gottes einzuhalten solle kein Zwang sein, sondern aus Zuneigung, aus Liebe, auch aus Treue zu Gott geschehen. „Es ist elementar, dass wir uns nicht nur unsere weißen Westen zeigen.“
Freude am Beruf zu haben – wer kann und will das ernsthaft über Jahrzehnte von sich behaupten? Für Friedhelm Meinecke ist das wesentlich. „Als ich mich entschieden habe, Pastor werden zu wollen, bin ich zielstrebig auf die Sache zugesteuert. Ich habe Theologie studiert, weil ich ganz praktisch ins Pfarramt wollte.“ Latein lernen – ob das wirklich sein muss für den Berufsalltag? Diskussionen mit den Professoren führten nicht zum gewünschten Erfolg, Latein war alternativlos. Griechisch und Hebräisch standen auch auf dem Lehrplan. „In acht Wochen in den Sommerferien gepaukt und dann auch in acht Wochen nach der Prüfung wieder vergessen“, erinnert sich der gelernte Industriekaufmann, der in Göttingen und Marburg studierte und sein Vikariat in Schloss Ricklingen in der Nähe von Hannover absolvierte.
Freiwillig geht Lernen besser. Das weiß man eigentlich, erlebt hat es Friedhelm Meinecke in seiner ersten Pfarrstelle in Hoya an der Weser. Das Kollegium traf sich regelmäßig, um Gottesdienste gemeinsam vorzubereiten. „Dazu gehörte es immer, dass der jeweilige Gastgeber direkt aus dem Urtext übersetzt hat.“ Griechisch und Neues Testament – da hat sich der junge Kollege gern beteiligt.
Sakralstress bringt Berufswunsch
Wie bei vielen seiner Kollegen und Kolleginnen ist es auch für Friedhelm Meinecke gewesen: Geprägt hat ihn die Jugendarbeit in seiner Heimatgemeinde in Eschede bei Celle. „Ein Freund hat mich damals zur kirchlichen Jugendgruppe gelockt.“ Von da an war der heute 66-Jährige regelmäßig dabei. „Jeden Freitagabend mit dem Fahrrad drei Kilometer zum Gemeindehaus, bei schönem Wetter haben wir vorher Volleyball gespielt.“ Bibelarbeit, Gebetsgemeinschaft, gemeinschaftliches Singen, Theaterbesuche in Celle, gemeinsame Fahrten und Freizeiten – all das gehörte dazu. Jeden Tag war etwas anderes: montags Jugendhauskreis, dienstags Kirchenchor, mittwochs Schaukastenarbeitsgemeinschaft, donnerstags Kindergottesvorbereitung, freitags Jugendgruppe, samstags Wochenschlussandacht. Sakralstress. Und sonntags dann mit Krawatte – zum Tag des Herrn – um zehn Uhr in den Gottesdienst.
„Ich glaube nicht, dass ich ohne diese Erfahrungen Pastor geworden wäre.“ Kirchliche Gemeinschaft in aller Intensität, mit anderen darüber diskutieren, was es heißt als Christin oder Christ zu leben – in Skandinavien, in Schottland, im Elsaß, in Österreich, in der Partnergemeinde in der Nähe von Dresden – all diese Erfahrungen ließen den Wunsch aufkommen, Pastor werden zu wollen. Die Entscheidung reifte während der kaufmännischen Ausbildung. „Ich konnte mir eigentlich nichts anderes vorstellen, auch wenn ich mit zehn Astronom werden wollte.“ Sich beheimatet wissen in der Kirchengemeinde, bei Gott geborgen zu sein in guten und in schweren Tagen – Friedhelm Meineckes Motivation war es, biblische Traditionen in die kleine Münze des Alltags umzusetzen. „Das, was ich für mich als Gewinn erlebt habe, wollte ich gern weitergeben.“ Diesen Berufswunsch hat Friedhelm Meinecke nie wieder in Zweifel gezogen, sagt er.
Den Schritt nach vorne wagen
Ein stilles Mäuschen sei er gewesen, verhielt sich eher passiv am Rand. Keine gute Voraussetzung für den Pastorenberuf. Er lernt, sich zu präsentieren und vorn zu stehen, leitet in der Jugendgruppe erste Abende, fasst Zutrauen dazu, das hinzubekommen. Er lernt Gitarre spielen – sein Markenzeichen in der Arbeit mit allen Generationen in der Kirchengemeinde –, leitet während des Studiums mehrfach Jugendfreizeiten. 38 Jahre lang ist Friedhelm Meinecke Pastor, mit der Vikariatszeit sind es vier Jahrzehnte pastoralen Lebens, in denen er Menschen getauft, getraut, beerdigt und auf die Konfirmation vorbereitet hat.
Vier Jahrzehnte haben den Pastor:innenberuf und auch das Leben in Gemeinden gravierend verändert. „Kirchlichkeit ist nicht mehr selbstverständlich. Wenn ich als Berufsanfänger in die Häuser ging und Menschen besuchte, bin ich, meistens mit Recht, davon ausgegangen: Die gehören alle zur Kirche.“ Heute geht der Theologe mit der Grundannahme „eher gehört niemand zur kirchlichen Gemeinde“ zu den Menschen. „Das ist für mich auch nicht das Wesentliche. Das eine ist die Kirchenmitgliedschaft, das andere der persönliche Glaube.“ Friedhelm Meinecke möchte die Gemeinschaft vom Zentrum, vom Geist, vom Inneren her leben. Grenzen, Äußerlichkeiten, Abgrenzungen gehören für ihn nicht dazu.
Frieden schaffen ohne Waffen
„Es war auch bei Jesus selbst nicht so, dass er Menschen ausgeschlossen hat. Im Gegenteil. Er hat die Ehebrecherin wieder in die Gemeinschaft aufgenommen, auch Zachäus gehörte dazu, und die Zöllner und die Sünder.“ Sie fanden Akzeptanz und Heimat bei ihm, fanden Gemeinschaft durch ihn. Friedhelm Meineckes Lieblingswunsch, dass die Welt im Ganzen besser werden möge, wird leider immer wieder enttäuscht. „Ich bin fast verzweifelt, dass bis hin zu unserer Kirchenleitung Menschen noch immer meinen, wir könnten mit Waffen Frieden schaffen. Wir müssen Diplomaten schicken, nicht Waffen!“
Stark sein solle nicht der Einzelne, stark sein solle die Gemeinschaft. Wer nach Weyhausen in die Gemeinde kam, hat es immer wieder selbst erleben können, wie es sich anfühlt, herzlich willkommen zu sein. „Ich habe mich immer als der Hirte gesehen, der alle zusammenhütet, versucht, allen ihr Recht zu geben.“ Die Gemeinschaft stark machen könne nur, wer sich seiner eigenen Grenzen bewusst sei. „Die haben wir alle, wir können es nie hinbekommen, dass wir perfekt sind. Es wäre töricht, das zu meinen.“
Wahrhaftig werden
Was das bedeutet, hat der 66-Jährige aus privaten Gründen am eigenen Leib erfahren. Schmerzhaft einerseits, Neues ermöglichend auf der anderen Seite. „Als Pastor scheitern – das hat Menschen zu mir gebracht, die sonst nicht gekommen wären“, erlebt er nach einer Trennung. Mittendrin stehe es im Vater unser: Vergib‘ uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. „Es ist elementar, dass wir uns zu dem bekennen, was nicht gut gelungen ist und uns nicht nur gegenseitig unsere weißen Westen zeigen.“
Nun also: Abschied. „Was dann danach kommt, wollen wir mal sehen.“ Erst mal ein paar Monate gucken, was kommt, Fuß fassen in der neuen Heimat im Harz, das vor einer Weile gekaufte Haus renovieren. „Vielleicht habe ich ja Lust, noch mal was Pädagogisches zu starten, einen Verein zu gründen oder in die Politik zu gehen?“ Frei die Wochenenden nutzen können, einfach mal spontan etwas unternehmen mit seiner Frau oder mehr Zeit zu haben mit den Kindern und Enkeln, darauf freut sich Friedhelm Meinecke. Auch das Haupt-Hobby wartet in Osterode auf ihn, Friedhelm Meinecke nennt es „Gartensport“. Das war über vier Jahrzehnte auch Ausgleich zum Beruf, der in großen Teilen am Schreibtisch oder anderswo im Sitzen stattfand. „Ich sage immer noch: Es ist ein wundervoller Beruf. Er hat mich das Leben in der ganzen Vielfalt erleben lassen.“