„Man darf nicht alles als gegeben hinnehmen“

13. Mai 2022
Foto: Kirchenkreis Wolfsburg-Wittingen / Öffentlichkeitsarbeit

Diakonin Beate Heide-Hilgerdenaar geht in den Ruhestand

Knapp 32 Jahre ist Beate Heide-Hilgerdenaar in Wolfsburg als Diakonin tätig, zum 1. Juli geht die 63-Jährige in den Ruhestand. „Die Hälfte meines Lebens habe ich in Wolfsburg verbracht, meine Kinder sind hier aufgewachsen, ich habe immer gearbeitet, fast 42 Jahre lang. Jetzt ist es gut“, sagt sie. 1990 stellt die damalige Paulus-Gemeinde die junge Religionspädagogin ein, ihr Schwerpunkt ist die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen – bis heute.

Nicht nur jungen Menschen, die der evangelischen Kirche angehören, galt und gilt das Engagement Heide-Hilgerdenaars. „Ich habe jedermann die Türen geöffnet.“ Viele Jahre – „Jahrzehnte kann man schon fast sagen“ – bietet sie offene Jugendarbeit in der früheren Paulus-Gemeinde an. Kickern, miteinander ins Gespräch kommen oder einfach nur zusammen abhängen, sich zwanglos begegnen. „Wenn man offene Jugendarbeit macht, dann weiß man, da kommen auch gerade diejenigen, die es schwer haben, sich in eine Gruppenstruktur einzufinden.“ Alkoholkonsum und auch Gewalt können Probleme in der offenen Jugendarbeit machen. Sozialarbeiter:innen und Streetworker:innen – mit ihnen arbeitet Diakonin Heide-Hilgerdenaar in dieser Zeit zusammen. Und eröffnet jungen Menschen, andere Verhaltensstrukturen kennenzulernen.

"Wir mussten uns als Kirche was überlegen"

Als die drei Gemeinden am Laagberg und am Klieversberg als Verband zusammenarbeiten, wird Beate Heide-Hilgerdenaar Diakonin auf Gemeinde-Verbands-Ebene. „Ich hatte den Auftrag, die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zusammenzuführen.“ Projekte, wie Kinder-Bibeltage, Freizeiten und Konfirmand:innen-Wochenenden, Teamertreff verantwortet die Diakonin fortan also für alle drei Gemeinden. Der Abriss des Paulus-Gemeindehauses steht bereits am Horizont, für die Jugendlichen müssen neue Räumlichkeiten gefunden werden. „Wir haben uns gemeinsam auf den Weg gemacht, ich habe die Jugendlichen ganz bewusst in den Veränderungsprozess einbezogen.“ Veränderung ist immer auch mit Widerstand verbunden, nicht überall ist die Arbeit mit jungen Menschen willkommen. „Wir haben uns manchmal wie Eindringlinge erlebt.“

Veränderungen prägen auch die Schullandschaft, die Entwicklung hin zu Ganztagsschulen wirkt sich auf die kirchliche Arbeit mit Kindern aus, die nicht mehr wie bisher unter der Woche am Nachmittag möglich ist. „In meinem Einzugsbereich betraf das acht von zehn Kindern, da mussten wir uns als Kirche was überlegen.“ Heide-Hilgerdenaar reagiert unmittelbar und startet Kooperationen mit der Laagbergschule, der Evangelischen Waldschule Eichelkamp und zeitweise der Wohltberg Schule. Und auch mit den evangelischen Kindertagesstätten Kreuz und Heilig-Geist und dem Paulus Kinder- und Familienzentrum arbeitet die Diakonin intensiv zusammen.

"Kinder und Jugendliche wollen es wirklich wissen"

„Ich begleite junge Menschen unheimlich gern ein Stück ihres Weges. Sie sind neugierig auf das Leben, Kinder und Jugendliche wollen es wirklich wissen.“ Ehrlichkeit und Authentizität im Umgang miteinander sind unerlässlich, ganz besonders mit jungen Menschen. „Meine Haltung und die christlichen Werte, die mir wichtig sind, habe ich immer auch zum Ausdruck gebracht.“ Wertschätzung gehört dazu, respektvolles Umgehen mit dem anderen, der anderen, unabhängig von kultureller oder religiöser Herkunft. Kritisches Hinterfragen – auch biblischer Geschichten – gehören für Beate Heide-Hilgerdenaar ebenso dazu. „Man darf nicht alles als gegeben hinnehmen.“

Die Berufsbiografie der 63-Jährigen ist geprägt von hoher Kontinuität und gleichzeitig stetiger Veränderung. „Leben ist Bewegung. Und wo Bewegung ist, findet Veränderung statt.“ Selbstverständlich hört sich das an, fast anstrengungslos. „Ich war immer nah dran. Kinder wachsen, verändern sich, treten ins Leben hinaus. Das ist alles Veränderung.“ Auch die Kirche hat sich verändert in den über vier Jahrzehnten, in denen die Mutter zweier erwachsener Kinder dort hauptberuflich tätig ist. Gemeinden verbinden sich, fusionieren, Kolleg:innen kommen und gehen wieder, Gebäude, auch Kirche werden verkauft, Arbeitsschwerpunkte verschieben sich. „Das Annehmen von Veränderung gehört einfach zu unserem Leben dazu. Wir müssen immer wieder etwas loslassen. Wir sind Gäste, Gäste auf der Erde.“

"Es wird sich Neues entwickeln"

Wer zu Gast ist, nimmt sich wünschenswerterweise zurück. Geht achtsam um mit Dingen, mit Menschen, mit Gottes Schöpfung. „Achtsamkeit ist eine Lebenshaltung, eine innere Haltung gegenüber dem Leben.“ Dass Heide-Hilgerdenaar beruflich in den sozialen Bereich gehen würde, war früh klar. Ländlich aufgewachsen in der Nähe von Goslar erlebt sie als Kind die Kirche als besonderen Ort.

„Ich denke allerdings nicht gern an meine Konfirmandenzeit zurück, das war sehr traditionell.“ Dennoch engagiert sie sich im Kindergottesdienst und in der Jugendgruppe. An der Evangelischen Fachhochschule Hannover studiert sie Religionspädagogik, Diakonie und kirchliche Dienste, absolviert in Goslar ihr Anerkennungsjahr, arbeitet dann in Wolfenbüttel und Gifhorn und seit 1990 in Wolfsburg. Beate Heide-Hilgerdenaar wird in Wolfsburg bleiben, sagt aber auch: „Es wird sich Neues entwickeln.“ Weil Leben Veränderung heißt. Weil wir immer wieder etwas loslassen müssen als Gäste auf dieser Erde.

Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis / Frauke Josuweit

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Gottesdienst für Beate Heide-Hilgerdenaar

Am Sonntag, 15. Mai 2022, wird Diakonin Beate Heide-Hilgerdenaar feierlich in ihren Ruhestand verabschiedet. Dazu laden wir Sie herzlich ein in die Wolfsburger Kreuzkirche, Laagbergstraße 48. Der Gottesdienst beginnt um 10.00 Uhr, im Anschluss findet ein Empfang statt.