Ich gehe nicht allein durch diese Welt. Ich habe Familie und ich habe Freunde. Aber da ist noch etwas anderes. Glaubensgewissheit 24/7 – die habe ich nicht. In Gottesdiensten oder wenn wir gemeinsam beten, spüre ich es manchmal: Irgendwas ist da. Irgendwas ist da anders. Wie wenn da ein Geist weht, den ich nicht näher beschreiben kann. So ein warmes Gefühl von ‚hier bist Du gerade genau richtig‘. Das kann man nicht herstellen. Das kann man auch nicht herbeiwünschen. Das passiert.
Keiner muss irgendwie besser sein als der andere. Das, was Du machst, ist total in Ordnung. Es geht nicht darum, wer das beste Gebet spricht. Und manchmal haben Dir auch die Worte gefehlt. Das habe in meiner Jugend erlebt, in unseren Jugendgottesdiensten. Das ist für mich tatsächlich eine andere Welt gewesen als in der Schule: Welche Noten hast Du? Welche Klamotten? Dieses Grundgefühl in der Jugendarbeit, das habe ich in der Jugendkirche im Sondervikariat wieder erlebt. Mit dieser Haltung gehe ich weiter.
Ich bin eher laut, war ich als Kind schon, sagt meine Mutter. Damals fand ich das ganz schlimm, heute finde ich es nicht mehr schlimm. Man hört mich, das ist gut. Wir waren früher ganz viel draußen. Mit meinen Großeltern haben wir zusammen auf einem kleinen alten Bauernhof gewohnt, mein Opa hatte noch Schweine und ein paar Hühner und einen Hund. Und Oma einen Gemüsegarten. Dorfleben. Was ich nicht hatte: Ich war nie im Kindergottesdienst. Meine Oma ging in die Kirche, aber wie das so war, da trifft man die Nachbarinnen und quatscht. So viel Spaß an Dorftratsch hatte ich nicht. Konfirmation hat bei uns jeder gemacht. Ich weiß gar nicht, was meine Eltern gesagt hätten, wenn ich gesagt hätte, ich mache es nicht. Auf die Idee wäre ich aber gar nicht gekommen. Mit meiner Berufswahl haben meine Eltern dann nicht gerechnet.
Ich wollte diesen Beruf machen, ich wollte Pastorin werden. Ich hatte ein Berufspraktikum bei unserer Pastorin gemacht, mit vielen Geburtstagsbesuchen. Ich weiß nicht, wie viel Kuchen ich da essen musste. Aber eigentlich war es die Jugendarbeit und die Konfi-Arbeit. Wenn man mit 18 in den Kirchenvorstand geht und die diskutieren bis Mitternacht, welcher Baum auf dem Friedhof gepflanzt wird, das war nicht so meins. Ich mag Menschen. Jeder bringt seine Geschichte mit, das finde ich spannend. Und Gott schadet dabei nicht.
Ganz oft höre ich nur zu. Ich gehe mit. Und ich weiß: Es ist nicht meine Geschichte, aber es bewegt mich. Viele sagen: Glauben kann ich auch zu Hause ohne Kirche. Und ich finde genau das nicht. Natürlich kann ich auch zu Hause beten. Gar keine Frage. Und vielleicht ist das sogar manchmal ehrlicher. Aber feiern – Gott und den Glauben – kann ich nur in Gemeinschaft. Da ist es egal, wer welches Auto vor der Tür stehen hat. Ein kleiner Mensch muss auch noch nichts können, damit Gott ihn liebt. Das vergisst man, wenn man erwachsen wird. Aber wir waren alle mal klein und völlig abhängig von anderen. So waren wir aber schon gut. Das finde ich abgefahren.
Gott ist da, immer. Sie gibt uns das, was wir brauchen. Auch wenn wir manchmal das Gefühl haben, wir haben vielleicht einen Mangel, sorgt er für uns. Im Nachhinein merkt man, wo man so richtig getragen wurde. Und am Ende sind wir alle Ebenbild Gottes.
Das Gespräch protokollierte Frauke Josuweit