Es ist richtig, die Hoffnung hochzuhalten! Gegen ganz vieles, was gegenwärtig dagegenspricht. Ich möchte nicht zulassen, dass ich jetzt einfach mutlos werde. Ich möchte nicht nur Zuschauer sein. Glauben heißt doch ganz oft: Dagegen anglauben, sich gegen eine Realität anstemmen, die im Gegensatz zu meinen Überzeugungen und Hoffnungen, zu meinen christlichen Vorstellungen steht. Auch wenn ich spüre, dass meine Kräfte altersbedingt nachlassen.
Erfahrungen von Machtlosigkeit verbinde ich auch mit meiner Kindheit. Da habe ich mich als ‚langer Dünner‘ oft unterlegen gefühlt und auf dem Wege zum Kindergarten und zur Schule einiges eingefangen, ohne mich wehren zu können.
Emanzipation aus familiärer Enge
Es war in meiner Generation noch relativ normal, dass in Familie und Schule zum Stock gegriffen wurde. Mein Vater war im Dritten Reich stark national denkend geworden. Im Gymnasium lud mich dann ein älterer Mitschüler in die christliche Jungenschaft ein. Hier hörte ich ganz andere Stimmen und lernte ganz andere Sichtweisen kennen. Kritische Stimmen zum dritten Reich in der Nachfolge von Niemöller, Bonhoeffer, Gollwitzer. Erste Versuche zur Aufarbeitung. Für mich eine Emanzipation aus familiärer Enge und eine enorme Blickerweiterung auf die Welt.
Das war bei uns zuhause dann sehr bald ein richtiges Konfliktthema. Für meinen Vater war der Ausgang des Dritten Reiches ein bitteres Scheitern, keine Befreiung. Heute bedauere ich: Wir haben darüber gestritten, aber zum gegenseitigen Verstehen kam es nicht.
Frieden schaffen ohne Waffen
Die aktuelle politische Situation ist bedrückend. Mich enttäuscht und erschreckt zutiefst, dass das, wofür wir uns stark gemacht haben in der Friedensbewegung, überrollt wird von dem, was sich gegenwärtig in der europäischen Politik entwickelt. Ich kann mir gut vorstellen, dass es Menschen gibt, die ein bisschen lächelnd auf den Pastor Braun und diejenigen gucken, die damals „Frieden schaffen ohne Waffen“ skandiert haben. Ich will mich davon nicht mutlos machen lassen.
Letzten Endes kann es kein anderes Ziel geben als das friedliche Miteinander aller Menschen. Darum möchte ich die Partnerschaft unseres Kirchenkreises mit der evangelischen Gemeinde Togliatti in Russland als Friedensbrücke verstehen und sie instand halten in der Hoffnung auf kommende bessere Zeiten. Es sträubt sich alles in mir, mir vorzustellen, dass es zu einer dauerhaften Entfremdung zwischen uns kommen könnte.
Mein Weg gegen Widerstände
Menschen, die im Dritten Reich aufrecht geblieben sind, sind mir Vorbilder. Die Frage, wie Hoffnung aufrechterhalten werden kann, ist eine Frage der Grundüberzeugung und für mich auch eine Frage nach meinem Glauben. Ich erlebe in meiner Arbeit im Hospiz Menschen, die auch im klaren Blick auf das eigene Sterben ihrem Gottvertrauen treu bleiben. Ich habe auch den Menschen Jesus vor Augen, der seinen Weg gegangen ist in der Überzeugung, dass sein Auftrag richtig und wichtig ist. Das bestärkt mich darin, meinen Weg auch gegen Widerstände zu gehen. Gott verspricht, uns gerade in der Aussichtslosigkeit nicht allein zu lassen.
Immer wieder brechen Kriege neu aus. Krieg scheint zum menschlichen Dasein dazu zu gehören. Trotzdem macht es Sinn, sich für ein friedliches Miteinander einzusetzen. Selbst in meinem kleiner werdenden Wirkungskreis als ‚älterer Mitbürger‘ ergeben sich dafür täglich Gelegenheiten. Wie schön, wenn dann manchmal im Kleinen gelingt, was in der großen Politik bisher ein gescheitertes Bemühen bleibt.
Gesprächsprotokoll und Foto: KK-Öffentlichkeitsarbeit