„Eine:r muss ja den Hut aufhaben“

Nachricht 17. September 2025
Foto: KK-Öffentlichkeitsarbeit / F. Josuweit

In vier Minuten so viel Kartoffeln schälen wie möglich – Gabi Bösche kann’s am besten. Vor 12 Jahren hat sie es öffentlich unter Beweis gestellt bei einem Wettbewerb in Fallersleben, auf Sommerjugendfreizeiten in Schweden, Dänemark und der Toskana wurde es dann ernst: 50 hungrige Jugendliche satt bekommen, das ist kein Pappenstiel.

„Da war ich 68. Rezepte habe ich hochgerechnet.“ Die pensionierte Bankkauffrau kann richtig gut kochen. Wenn sie auf Jugendfreizeiten als Obersmutje zur Tat schreitet, geht ihr immer eine Handvoll Jugendlicher zur Hand. Kartoffeln schälen, Schnitzel oder Gemüse panieren, den Tisch decken, was eben alles so dazu gehört. „Für mich ist das eine wundervolle Erfahrung, mit den jungen Leuten zu arbeiten. Das hat so viel Spaß gemacht, so viel Energie gegeben“, schwärmt Gabi Bösche.

Wenn Menschen sich über ihren eigenen Gartenzaun hinaus engagieren, profitiert davon ihr Umfeld und die ganze Gesellschaft. Bürgerschaftliches Engagement ist freiwillig, bezahlt wird man dafür nicht. Demokratische Gesellschaften sind für zivilgesellschaftliches Engagement gute Nährböden, in Diktaturen wird diese Form der Eigeninitiative weder gefördert noch ist sie erwünscht. Entstanden ist ehrenamtliches Engagement in Deutschland im 19. Jahrhundert, während des Nationalsozialismus kam es zu einer Zäsur, und in der ehemaligen DDR existierte es offiziell nicht. In der Kirche gab es ehrenamtlich Tätige schon lange bevor es den Begriff ‚Ehrenamt‘ gab.

Was willst Du mit Deinem Leben anfangen?

Mit anderen gemeinsam und für andere etwas zu machen, gefällt auch Luca Bebeniß. Der 28-Jährige ist Kirchenvorsteher in Ehmen und bereits sein halbes Leben lang Teamer in der Jugendarbeit. Das hat auch seine Berufswahl beeinflusst, Luca Bebeniß studiert Personalmanagement. Eine Entscheidung, die nicht von heute auf morgen stand, die sich entwickelte, auch im Gespräch mit Menschen aus seinem Umfeld.

Die schwierige Frage, was man mit seinem Leben anfangen möchte, erlebt er als Teamer auch bei Jüngeren. „Es gibt Unsicherheit, wo möchte ich hin, was ist gut für die Zukunft? Die sehen auch, dass es wirtschaftlich nicht so gut ist.“ Nicht nur Luca spricht als noch junger Mensch mit den Kids in der Gemeinde, in den Jugendtreffs oder bei Freizeiten. „Sie haben ja bei uns auch die Möglichkeit, Ältere zu fragen, die schon Lebenserfahrung haben.“

Foto: KK-Öffentlichkeitsarbeit / F. Josuweit

„Manchmal brauche ich einfach auch mal Zeit für mich, lege mich auf’s Sofa und lese.“ 

Gabi Bösche ist eine waschechte Fallerslebenerin. „Ich bin hier nie rausgekommen“, sagt sie selbst dazu. Die pensionierte Bankkauffrau engagiert(e) sich ehrenamtlich als Kirchenvorsteherin, als Mitglied im Kirchenkreisvorstand und im Heimat- und Verkehrsverein Fallersleben. Gekocht wird bei ihr nur handmade mit guten Zutaten. 

Wer aber denkt, es ginge bei Freizeiten und in den Jugendtreffs ständig ernst zu, irrt. „Ich komme mir da manchmal wie ein ausgeflippter Teenager vor“, beichtet Gabi Bösche. Tagsüber draußen sein, kleinere und größere Abenteuer erleben, wandern, klettern, Boot fahren, andere Länder kennenlernen, und abends am Lagerfeuer zusammen Musik machen, das gehört auch dazu. Für Teamer wie Luca Bebeniß und Jugendherbergschefin Gabi Bösche ist das kein Urlaub. „Es sind 55 Kinder dabei, die rumhampeln“, schmunzelt Luca. „Das ist schon sportlich, aber es macht Spaß.“ Gabi Bösche und Luca Bebeniß sind sich einig: Ehrenämter sind keine Einbahnstraße, wer sich einsetzt, profitiert auch selbst davon.

Die Liebe Gottes weitersagen

Kirche ohne ehrenamtliches Engagement ist gar nicht denkbar. Manche sagen, Jüngerinnen und Jünger Jesu seien die ersten Ehrenamtlichen gewesen. Andere meinen, der barmherzige Samariter sei das Urbild des christlichen Ehrenamtes. Vielleicht lässt es sich so erklären: Wer sich für andere einsetzt, lebt Gottesdienst im Alltag der Welt. Schon für die ersten christlichen Gemeinden war das aus dem Glauben heraus begründete Tun und Handeln in dieser Welt unverzichtbar: Durstige wurden getränkt, Hungrige erhielten Speise, Fremde wurden beherbergt. Die Sorge um Kranke und Arme, um Ausgestoßene oder sozial Stigmatisierte ist seit der Frühzeit des Christentums vor über 2000 Jahren Betätigungsfeld von Christenmenschen. Die Liebe Gottes weitersagen und für den eigenen Glauben einstehen, das Priestertum aller Gläubigen ist seit der Reformation Grundgedanke der evangelischen Kirche.

Foto: KK-Öffentlichkeitsarbeit / F. Josuweit

„Man muss hier nicht der 24-7-Christ sein. Ich bin auch nicht jeden Sonntag in der Kirche.“  

Luca Bebeniss  lebt in Mörse, und hat familiäre Wurzeln in Ehmen, wurde hier konfirmiert und hat sich anschließend als Teamer eingebracht. 21jährig wurde er in den Ehmener Kirchenvorstand gewählt. Vollzeit-Teamer ist er seitdem nicht mehr, aber immer dabei, wenn Not am Mann ist oder als Joker, der überall mit anpackt. 

„Ich habe nach dem Abitur mitgearbeitet in der Gemeinde, im Urlaub sogar die Sekretärin vertreten.“ Luca Bebeniß hat von Büro bis Kirchenvorstand alles gesehen: Geburtstagsbesuche, Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen, Konzerte, Kirchenparlament. „Ich habe überlegt, Theologie zu studieren, habe mir sogar die Uni angeguckt.“ Aber Altgriechisch, Hebräisch und dazu noch das große Latinum, das wollte er dann doch nicht. Von seinem Glauben erzählen, sogar Gottesdienste leiten, wird der 28-Jährige aber dennoch.

Luca Bebeniß ist Lektor im Kirchenkreis Wolfsburg-Wittingen, fast jedenfalls, die Ausbildung hat er bald abgeschlossen. Und er ist Kirchenvorsteher in der zweiten Amtsperiode. Bauausschuss, Personalausschuss, Kinder- und Jugendausschuss stehen für ihn auf der Agenda. Vollzeit-Teamer, wie er es lange war, ist er deshalb nicht mehr. Aber immer dabei, wenn Not am Mann ist und bei den großen Freizeiten im Sommer. 

Zeit füreinder haben, ist das Wichtigste

30:70 sagt Luca, fifty:fifty meint Gabi. Gemeint ist das Verhältnis von geschenkter Ehrenamtszeit zu Freizeit. Aber das ist auch abhängig von der Jahreszeit, davon, was so anfällt. Im Sommer, abgesehen von den großen Freizeiten, ist es eher weniger als in der Weihnachtszeit. Aber eben freiwillig und weil es Freude macht. Planen, einkaufen und kochen für große Jugendfreizeiten, die Teams in Schweden, Norwegen, Dänemark, Schottland oder wohin auch immer die Reise geht, zusammenhalten. Heimwehkinder trösten, Schlendriane auch mal ermahnen, Gemüsekisten schleppen, Berge abwaschen, Köttbullar, Pfannkuchen oder Pizza in Megamengen auf den Tisch bringen – dafür gibt es jede Menge zurück. 

„Es gibt nichts Wichtigeres, als Zeit füreinander zu haben!“ Gabi Bösche sagt von sich selbst, sie brauche nicht Materielles mehr. In den kommenden Jahren möchte sie dennoch etwas kürzertreten, um mehr Zeit für ihre Enkel zu haben. Und Luca ist fast fertig mit seiner Abschlussarbeit, dann beginnt bei ihm der sogenannte Ernst des Lebens. „Ich mache meine Ehrenämter gern. Aber ich muss auch immer wieder gucken, wo ich die Zeit dafür herkriege.“ Er wird vermutlich nicht ganz verschwinden. „Gemeinschaft ist wichtig, das ist hier meine zweite Familie. Einfach mal coole Sachen zusammen machen. Wenn also jemand kommt und sagt: ‚Hey ich würde gern mitmachen, ich glaube aber nicht an Gott‘ dann würde ich sagen: Klar, mach‘ mit, warum nicht!“

Text und Fotos: KK-Öffentlichkeitsarbeit / F. Josuweit

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Südwester

Der Beitrag über das ehrenamtliche Engagement von Gabi Bösche und Luca Bebeniss erschien ursprünglich im Südwester, dem evangelischen Magazin für Ehmen, Fallersleben-Sandkamp, Mörse, Sülfeld und Wettmershagen.
 

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