(Weihnachts)Wunder erwarten

Nachricht 19. Dezember 2025
Foto: KK-Öffentlichkeitsarbeit / F. Josuweit

Vieles ist in Aufruhr, Sicherheiten und Gewohntes werden von immer neuen Umständen infrage gestellt. Das macht Angst, löst Unsicherheit oder Aggression aus. Wie können wir damit umgehen? Zum Weihnachtsfest 2025 haben Patricia Hinz, Vertreterin der katholischen Kirche in Wolfsburg, und Christian Berndt, Superintendent des Evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Wolfsburg-Wittingen darüber miteinander gesprochen.

Patricia Hinz   Alle um einen herum machen sich Sorgen. Wo geht das alles hin? Man hört wenig, das einen beruhigen könnte.

Christian Berndt   Ich erlebe viel Erschöpfung. Menschen können Gutes nicht mehr genießen. Für mich ein deutliches Signal: Es ist zu viel. Und doch kommt gerade in der Weihnachtszeit die Hoffnung hoch: Das Leben müsste anders sein.

Patricia Hinz   Wir haben vieles über Jahrzehnte für selbstverständlich gehalten. Denken, es steht uns zu. Wir waren so sicher, dass das einfach immer so weitergehen wird. Und jetzt wird der Wohlstand geringer, die Sicherheit ist nicht mehr so da, wir benötigen wieder eine funktionierende Bundeswehr. Alles Dinge, die in meiner Jugend gar keine Rolle gespielt haben. 

Christian Berndt   Wir brauchen Stabilität im Leben. Deswegen sind Rituale so wichtig. Wir brauchen etwas, auf das wir uns verlassen können, ohne darüber nachdenken zu müssen. Eine Form, an der ich festhalten kann, auch wenn rundherum Chaos herrscht. Ich muss nichts reflektieren, ich muss keine Lösung finden, ich muss nichts leisten, sondern ich kann einfach da sein. Wir brauchen Rituale nicht nur für uns selbst. Wir brauchen Rituale, die andere teilen. Zum Adventsmarkt gehen wäre ein Beispiel.

Foto: Ev. Medienarbeit / Jens Schulze
Foto: Ev. Medienarbeit / Jens Schulze

Unsere Weihnachtsgottesdienste

Stille Nacht, heilige Nacht, das dürfte das Gänsehaut-Lied schlechthin sein am Heiligabend, gemeinsam gesungen mit vielen anderen in einer schönen Kirche. Wir laden Sie ein, dieses Feeling bei uns erleben! 

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Patricia Hinz   Rituale funktionieren, weil sie in Menschen etwas anklingen lassen, ohne dass man es erklären muss. Die Atmosphäre, der Raum, Musik, Ruhe, erlebbare Gemeinschaft – Weihnachten macht das besonders deutlich. 

   Wir hatten vor ein paar Tagen eine Gruppe von Teenagern, die haben gar keinen Bock auf Weihnachten. Da stehe ein Krieg vor der Tür, sie hätten jetzt Wehrpflicht, überall sei Krise, Mama schon wieder im Krankenhaus. Wie kann uns die Weihnachtsgeschichte helfen, aus diesem Gefühl von Ohnmacht rauszukommen? Interessanterweise sind sie hängengeblieben bei den Engeln. Es waren die Engel, die das Wunder sichtbar gemacht haben: Ein Baby. Klein, unscheinbar, wie Millionen anderer Babys auch. Die Engel werfen den Scheinwerfer auf das Wunder. Wir müssten wie die Engel sein, denn Wunder gibt es auch heute noch. Kleine Wunder in meinem und Ihrem konkreten Alltag, auf die man mal einen Spot werfen müsste.

Christian Berndt   Unsere Gesellschaft ist nicht am Ende. Überhaupt nicht. Es gibt so viele Menschen, die sich für andere einsetzen! Wir hatten in diesem Jahr bei unserer Charityaktion ‚Gemeinsam Weihnachten‘ – 500 Geschenke für Kinder aus Familien in besonderen Lebenslagen – viel mehr Helfende als all die Jahre davor. Allein knapp 70 Menschen aller Generation am Veranstaltungstag selbst. Helfen geht auch ohne Geld.

Patricia Hinz   Ich glaube, wir machen das zu wenig sichtbar. Wenn man allein all das zusammenzählen würde, was in Wolfsburg zusammenkommt, ich weiß gar nicht, wie viele tausend Menschen sich ehrenamtlich engagieren. Viele sind still in ihrem Engagement, man hört sie nicht. Die hingegen, die den Untergang des christlichen Abendlandes beklagen, die schreien und sind sehr laut. Würden wir das stille Engagement sichtbarer machen, würde deutlich: Es lohnt sich eben doch!

   Ich kann damit Dinge zum Besseren wenden. Miteinander, in Nähe zueinander, in Verantwortung füreinander. Wir sind im Dunkeln nicht allein. Ich beende nicht den Ukrainekrieg oder den Hunger in der Welt, aber vielleicht mache ich den Hunger einer Seniorin in meiner Nachbarschaft besser.

Foto: KK-Öffentlichkeitsarbeit
Ein Blick hinter die Kulissen: So entstehen Pressefotos. (Foto: KK-Öffentlichkeitsarbeit)

Christian Berndt   Wir erwarten immer, dass alles von außen kommen muss. Selten wird gesehen, was jeder und jede Einzelne von uns dazu beitragen kann. Wir Erwachsenen schaffen es nicht mehr, Kindern ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Wir sind vereinzelt in einer Gesellschaft der Singularitäten. Das ist von vielen gewollt, aber gleichzeitig ist es nicht gut. Wir können uns nicht immer nur als Einzelne und nicht in Gemeinschaft sehen. Wenn Menschen gemeinsam kleine Schritte gehen, wird irgendwas etwas Großes daraus.

Patricia Hinz   Wo sind unsere Kraftquellen? Was macht mich und mein Leben wertvoll? Dafür finde ich die Weihnachtsbotschaft einfach großartig. Es gibt da dieses Baby in einem Stall in prekären Verhältnissen. Und aus diesem kleinen, unscheinbaren, ärmlichen Leben kann etwas Großes werden.

Christian Berndt   Es ist normal, dass die Dinge nicht so laufen, wie wir uns das vorstellen. Wir halten es nur für normal. Social Media wollen uns glauben machen: Es gibt nur gelingendes Leben. Und alles andere ist Scheitern?

Patricia Hinz   Ist groß, wenn ich ein Super-Promi bin oder ganz viel Einfluss habe? Eine tolle Karriere, eine super erfolgreiche Familie?

   Was macht ein Leben groß? Wenn ich auf mein eigenes Leben gucke, war der größte Mensch meines Lebens: Meine Oma. Nach heutigen Maßstäben eine arme, einfache Frau, ruhig und bescheiden. Wenn ich auf ihr Leben mit sechs Kindern gucke, ist sie eine der größten Frauen der Weltgeschichte. Weil sie uns beigebracht hat, wie dankbar man für Dinge sein kann, die eben nicht selbstverständlich sind. 

Das Gespräch protokollierte Frauke Josuweit, Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis

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Foto: privat

Patricia Hinz

...ist seit 26 Jahren als Gemeindereferentin tätig, seit 2014 in Wolfsburg. Die 50-Jährige ist seit Sommer 2025 Pfarrbeauftragte. Sie wurde von Bischof Heiner Wilmer, Katholisches Bistum Hildesheim, mit der Leitung der Wolfsburger Pfarreien betraut, als Pfarrer Thomas Hoffmann seinen Dienst für das Katholische Dekanat Wolfsburg-Helmstedt beendete.

Foto: Jens Schulze
Foto: Jens Schulze

Christian Berndt

...ist Superintendent des Evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Wolfsburg-Wittingen. Der 58jährige Theologe wuchs in der Nähe von Hannover auf, er war Gemeindepastor in Stade, bevor er 2018 Superintendent wurde.