Count your blessings

07. Februar 2021

Die persönlichen Kontakte sind eingeschränkt. Zeit, in den eigenen vier Wänden manches durchzusehen und zu ordnen, was im Laufe der Jahre liegengeblieben ist. Bei mir sind es zurzeit Fotos und Dias, die ich selten in die Hand genommen habe, seit ich digital fotografiere. Erinnerungen in Schwarz/Weiß. Da sehe ich mich vor Üings Spielwarengeschäft stehen. Ich drücke meine Nase platt an der riesigen Schaufensterscheibe. Die Märklin-Eisen-bahn, die Viking-Autos – zum Greifen nahe und doch unerreichbar. „Weihnachten war, und Dein Geburtstag ist noch in weiter Ferne.“

Und heute? Die Feier zur Goldenen Hochzeit im Familien- und Freundeskreis, der übliche Besuch bei den Kindern und Enkeln in Köln und Wolfenbüttel, bei Geschwistern, das Singen in Kantorei und Kirchenchor, die zwanglose, spontane Begegnung im Freundeskreis, Urlaubstage an der See oder in den Alpen.

Es sind so viele kleine und große Wünsche, Erwartungen, die – aus guten Gründen - noch warten müssen.

Was tun, wenn die Ungeduld und Unzufriedenheit wächst? „Count your blessings…“ – wörtlich: „Zähle deine Segnungen…“ an dieses englische Sprichwort wurde vor Kurzem in einem Fernsehgottesdienst erinnert. Eine hilfreiche Übung: Nicht „die Schäfchen zählen“, wenn einen die Gedanken, Sorgen nicht zur Ruhe kommen lassen. Sondern überlegen: Wofür kann ich dankbar sein? Es fängt bei ganz Alltäglichem an: ein Dach über dem Kopf, Essen und Trinken, medizinische Versorgung, ein unverhoffter Brief oder Telefonanruf, die Möglichkeit, familiär Unterstützung zu gewähren… – alles Selbstverständlichkeiten, die ich oft genug einfach so hinnehme. Aber Selbstverständliches ist nicht selbstverständlich. Das sehe ich, wenn mir die Nachrichten die Bilder aus den Krisengebieten und Flüchtlingsquartieren dieser Welt in die warme Stube liefern.

Die Wünsche und Erwartungen, die Einschränkungen und Verluste, die ich zu beklagen habe, sind damit nicht ausgelöscht. Aber sie erhalten einen anderen Stellenwert. Und sie öffnen den Blick für Gemeinsinn, Solidarität. Es ist doch merkwürdig, dass ausgerechnet ab Januar die Abgabe des „Solis“ weitestgehend erlassen ist, wo doch gerade jetzt für ganze Berufsgruppen und Lebensbereiche unsere Solidarität erforderlich ist.

Martin Berndt war Superintendent des Kirchenkreises Wittingen

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Martin Berndt, Superintendent i.R.
Pastor Superintendent i.R. Martin Berndt