»Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!« Die Anfangszeile eines alten Arbeiterliedes könnte man auch für den Beginn eines Feriensongs halten. Sonne und Freiheit locken seit wenigen Tagen wieder. Ich erinnere mich, wie ich als Schüler in den ersten Tagen der großen Ferien regelrecht beseelt war von einem Gefühl unendlicher Freiheit. Es hielt meist so bis zur Hälfte der sechs Wochen. Am Ende habe ich mir dann oft gedacht, was man doch alles noch Schönes mit der vielen Zeit hätte anfangen können. Damals habe ich mir gewünscht, dass die Sommerferien nicht nur sechs Wochen dauern, sondern wie in Schweden drei Monate. Am besten hätten sie gar nicht enden sollen.
Zur Sonne, zur Freiheit! Ich schreibe dieses Wort zum Sonntag aus der Corona-Quarantäne. Wir haben Glück, dass zum Pfarrhaus ein großer Garten gehört, den wir auch jetzt nutzen können. Ich mag mir nicht vorstellen, wie es uns erginge, wenn wir in einer Etagenwohnung ohne Balkon hocken müssten. Die Tage werden trotzdem lang. Wir freuen uns, wenn wir hier bald wieder rauskönnen, und sei es nur zum Einkaufen. Mal wieder was anderes sehen.
Zur Sonne, zur Freiheit! Die Menschen, die das Lied zum vielleicht meistgesungenen der Arbeiterbewegung gemacht haben, dachten dabei vermutlich nicht an Sommer und Ferien, und meine Corona-Problemchen hätten sie womöglich lächerlich gefunden. Sie sahen sich ungerecht behandelt und waren es wohl auch. In Liedern wie diesem spiegelt sich die Hoffnung, dass sich gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung bald etwas tut.
Zur Sonne, zur Freiheit! Hoffnungsbilder von Licht und Helligkeit werden auch uns Christen vor Augen gemalt. Freiheit ist ein zentraler Begriff in der Bibel. Sie ist voll von Befreiungsgeschichten. Paulus schreibt zum Beispiel: »Zur Freiheit hat uns Christus befreit.« Und er meint damit nicht, dass ich mich irgendwie selbst befreien müsse oder könne – das hat längst ein anderer für mich erledigt. Paulus fährt fort: »So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!« Selbst wenn ich äußerlich gar nicht frei bin, sondern in Gefangenschaft, Verfolgung, Krieg oder Unterdrückung, so ist mir doch wenigstens eine innere Freiheit von all dem Mist geschenkt, den ich erdulden muss. Und eine Aufgabe: für die Freiheit einzustehen.
Zur Sonne, zur Freiheit! Den Urlaubenden der nächsten Wochen wünsche ich beglückende Sonnentage. Und den einen oder anderen Freiheitsmoment. Und dass er rübergerettet werden kann über das allzu jähe Ende der Ferien.
Karsten Heitkamp ist Pastor in Groß Oesingen & Steinhorst
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