»Doofer Panz!« Lisa redet vernehmlich in die Luft. Wir liegen nebeneinander auf dem Trampolin und schauen in den Himmel. Meint sie mich? »Doofer Panz!« Sie wird energischer hinter ihrem Schnuller, aber es bleibt genuschelt. Ich überlege, wo sie wohl in ihrem jungen Leben etwas in kölscher Mundart aufgeschnappt haben könnte, bin mir aber ziemlich sicher, dass ich in den letzten Jahren nicht von »de Pänz« gesprochen habe, geschweige denn von einem »Panz«. (Für diejenigen, die mit meiner Geburtsstadt und ihrer seltsamen Sprache bisher weniger zu tun hatten: Es handelt sich um Kinder.)
Es hilft nichts, ich muss sie von ihrem Schnuller befreien, um sie verstehen zu können. Und als sie es dann ein drittes Mal sagt, verstehe ich: »Opa Hans!« Ach, sie meint meinen Papa. Der ist vor ein paar Jahren gestorben, Lisa hat ihn nie kennengelernt. Aber sie kennt ihn von Fotos, und wir haben ihr erzählt: Das ist Opa Hans, der ist schon gestorben, der ist jetzt im Himmel.
Als ich Kind war, ist uns das auch schon so erzählt worden. Ich kannte einen Himmel, in dem mein Opa war (der auch Hans hieß), und zusätzlich noch einen Katzenhimmel, da war die Minka, und einen Hundehimmel, da war der Baldus, und einen Pferdehimmel sollte ich auch noch kennenlernen. Lauter Himmel für die, die nicht mehr da waren. Ich habe mir damals keine großartigen Gedanken darüber gemacht, das war einfach so. Ich glaube, ich hatte eine ganz schöne Vorstellung von all diesen Himmeln.
Lisa scheint es ähnlich zu gehen. Was Sterben heißt, weiß sie wahrscheinlich noch gar nicht so richtig. Aber eine Ahnung, dass die Gestorbenen nicht mehr hier anzutreffen sind, die gibt es bei ihr wohl inzwischen. Sie sind nicht mehr hier, sondern sie sind jetzt im Himmel. Und der Himmel ist für Lisa oben, das Blaue, das man da sehen kann. Irgendwo da werden sie wohl sein, Opa Hans und Oma Helgard und die ganzen anderen Toten. Und Lucie, unser alter Hund, auch.
Ich muss gestehen: Wenn ich meine Tochter so unbefangen vom Himmel und seinen Bewohnern sprechen höre, dann hat die Vorstellung auch für mich Altgedienten etwas sehr Tröstliches. Natürlich weiß ich auch um all die Traurigkeit, die sich mit dem Weggang eines geliebten und vertrauten Menschen verbindet. Dieses Wissen hat Lisa noch nicht, kann sie auch noch nicht haben. Sie wird unweigerlich ihre Erfahrungen machen. Aber dass wir Christenmenschen nicht dabei stehenbleiben, dass die Toten weg sind, sondern dass wir sie in einer anderen Heimat wissen, das macht mich froh. Lisa hat mich daran erinnert, wo diese Heimat ist: im Himmel.
Karsten Heitkamp ist Pastor im Westen des Isenhagener Landes
Alle AnsprechpartnerInnen in unseren Gemeinden finden Sie hier.