Wir müssen reden

15. Januar 2022

Reden ist anstrengend, nicht nur für mund- und auch sonst wie faule Menschen wie mich. Vielleicht ist mir zu oft gesagt worden, dass Reden nur Silber, Schweigen aber Gold sei. Wahrscheinlich hat es noch keinen Tag gegeben, an dem ich überhaupt nicht geredet hätte. Aber ich bilde mir ein, dass mir ein solcher Tag grundsätzlich nicht schwerfallen würde.

Es wird ja auch sowieso schon viel geredet. Wenn andere Leute sich wortreich verbreiten, habe ich den starken Impuls, am besten gar nichts mehr zu sagen. Nicht nur Politiker machen oftmals besonders viele Worte, um bloß nicht zu wenig geredet zu haben. Man will ja einen Eindruck hinterlassen. Bei mir bleibt allerdings zuweilen der Eindruck, dass zwar viel geredet, aber wenig gesagt wurde.

Manchmal fühlt man sich regelrecht über-redet. Es gibt Leute, die treten mit missionarischem Eifer auf. Wenn es gut läuft, gelingt es ihnen zu überzeugen. Immer wieder aber bleibt es nur beim Überreden. Das ist so etwas wie Überfahren: Stärkere machen Schwächere platt. Oder wenigstens mundtot. Für ein Gespräch ist das natürlich tödlich. Wer nur mit anderen spricht, um sie für die eigene Sache einzuspannen, hat nicht begriffen, wozu ein Gespräch eigentlich da ist: um Gedanken, Gefühle, Meinungen, Ansichten, Haltungen, vielleicht auch Argumente auszutauschen. Und manchmal gelingt es sogar, ein Ergebnis zu erzielen.

Natürlich können Gespräche fürchterlich schiefgehen. Ich glaube, meist liegt es daran, dass es nicht wirklich zum Gespräch kommt, weil wenigstens einer der Gesprächspartner gar kein wirkliches Gespräch im Sinn hat. Ein Beispiel, das mir dieser Tage in der Bibel begegnet ist: Herodes. Die Gelehrten aus dem Osten, die zu ihm kommen, um sich über den neuen König zu erkundigen, bittet er nur scheinbar zum Gespräch. Seine Absicht ist nicht, was er vorgibt, sondern er versucht, die weitgereisten Gäste für seine Machenschaften einzuspannen. Dem neuen Stern will er nicht huldigen, sondern ihn aus dem Weg räumen.

Man könnte jetzt kapitulieren vor den Vielrednern, die mich eigentlich nur zu irgendwas überreden wollen. Manchmal fällt es mir ja selber schwer, nicht als Missionar in eigener Sache aufzutreten. Es wäre viel einfacher, wenn alle meiner Meinung wären. Sind sie aber nicht. Vielleicht ist das auch ganz gut so; denn oft genug habe ich mich schon geirrt. Deshalb hilft es nichts: Wir müssen geduldig miteinander und offen füreinander sein – und im Gespräch bleiben.

Karsten Heitkamp ist Pastor in Steinhorst und Groß Oesingen

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Foto: Jens Schulze
Pastor Karsten Heitkamp
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