An diesem Wochenende wird in den christlichen Kirchen, in denen überhaupt noch Gottesdienste und dann noch gemäß dem evangelischen Kirchenjahr gefeiert werden, der Sonntag Septuagesimae gefeiert. Das lateinische Wort bedeutet: noch 70 Tage! Also bis Ostern. So viele Tage zählt die Kirche ab Sonntag bis zu ihrem größten Fest der Auferstehung von Jesus Christus. So viele Tage wird geduldig ausgehalten, und gleichzeitig denke ich an die Gemeindeglieder und in welchen Zeiträumen die wohl so denken?
Konkret: In welchen Zeiträumen denken Produktionshelfer:innen oder Landwirt:innen oder Menschen in der Fußpflege oder in den Autohäusern oder den Discountern unserer Region? Manchmal frage ich mich tatsächlich, in welchen Zeiträumen meine lieben Konfirmand:innen hin und wieder leben? Da sind 70 Tage schon mal eine halbe Ewigkeit. Und 70 Tage, die kann man aushalten oder genießen, absitzen oder gestalten.
Nun rechnet vermutlich jeder damit, dass evangelische 70 Tage sich am besten anhören wie im Sportverein: Streng dich an, gestalte sie und genieß das! Also, auf geht's: 70 Tage mit Fasten, Klima retten, dabei aufrecht gehen und winken und lächeln! So denken immer noch viele Gläubige. Ich gebe ja zu, dass die Pandemie uns in der Kirche schon manches Mal echt den Spaß verdorben hat, aber trotzdem passiert bei uns noch erheblich mehr als bloß Diät halten, Müll trennen oder den schönen Schein bewahren!
An Septuagesimae heißt es: "Wir vertrauen auf deine große Barmherzigkeit." (Daniel 9 Vers 18) Denn mit der Barmherzigkeit Gottes an der Hand, die für immer offenbart ist in seinem Sohn Jesus Christus, da steht man dann morgens auf und denkt sich: Tue ich heute etwas, was Gott gefällt, was ihn ehrt und wofür er mich geschaffen hat? Dann stellt man sich vor irgendein Zeitungsregal und denkt sich: Welche Leute stehen eigentlich gerade in der deutschen Öffentlichkeit und sagen ihre Meinungen, und wieso dürfen die das überhaupt?
Wir vertrauen auf Gottes große Barmherzigkeit, aber was Menschen Menschen mitunter antun, wie sie über andere miteinander reden, was als Gemeinschaft gilt oder eben auch vielleicht zerfallen könnte, das tun eben Menschen, denen Gottes Liebe genauso gilt wie jedem anderen auch. Wir rechnen fest mit Hoffnung und Zuversicht auf eine sehr gute Zeit an Gottes Seite und das nicht bloß 70 Tage lang.
Florian Herterich ist Pastor in Zasenbeck, Radenbeck und Knesebeck.
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