Grünes Wunder

13. Mai 2023

Und jetzt ist plötzlich alles grün. Ich weiß gar nicht, warum, aber in diesem Jahr ist mir besonders aufgefallen, wie spät erst die Blätter an den Bäumen sprießen. Kälte und Kahlheit werden mit Macht zurückgedrängt, das Wunder der Natur hat einmal mehr zugeschlagen.

Im Fernsehen kann man ja so einiges über Naturwunder erfahren. Da wird einem dann die Giraffe mit dem längsten Hals vorgeführt, der Frosch, der am weitesten hüpfen, der Vogel, der am längsten fliegen kann, und welcher Schmetterling am prächtigsten ist. Lauter Superlative, eingereiht in unsere menschlichen Wettbewerbe. Dabei würde es reichen, einen stinknormalen Grashalm zu betrachten – er ist höher und stabiler als jedes Hochhaus, das wir Menschen bisher zustande gebracht haben.

Eigentlich sind die Extremleistungen gar nicht so interessant. Finde ich jedenfalls. Das Wunder der Natur besteht vielmehr gerade im ganz Normalen, in dem, was überall anzutreffen ist. Allein, dass es jedes Jahr wiederkommt und noch nie ausgefallen ist, ist doch erstaunlich. Und natürlich die überbordende Fülle, die einfach nicht aufzuhalten ist.

In unserer Zeit mischt sich in die Begeisterung auch so manche Sorge. Wird sich möglicherweise demnächst alles ganz schnell verändern? Haben wir unsere Natur an den Rand des Ruins gebracht? Und wo jedes Jahr etwas aufblüht, wächst und gedeiht – geht da nicht jedes Jahr auch etwas zugrunde?

Na klar, auf jeden Sommer folgt ein Herbst. Die Blätter, die jetzt grünen, werden irgendwann gelb und braun und fallen ab und vergammeln. Jede Pflanze, die aus dem Boden sprießt, und jedes Lebewesen, das geboren wird, stirbt irgendwann wieder. Manchmal hab‘ ich einen schlechten Tag, dann macht mich das ganz traurig.

Die Bibel hingegen schaut mit Freude auf diesen ewigen Kreislauf: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Das ist Gottes Versprechen am Ende der Sintflut (1. Mose 8,22). Dass alles immer wieder wird und vergeht, darin zeigt sich Gottes Segen. Eben nicht nur im Werden, sondern genauso im Vergehen. Beides ist von Gott gesegnet.

Noch etwas lehrt mich die Natur: Dieser Moment jetzt ist wichtig. Wo gestern erst eine Knospe war, ist die Blüte morgen schon verblüht. Heute ist der entscheidende Tag. Jetzt ist das Werden dran, das Wachsen und Gedeihen. Was dann kommt, ist die Sache eines anderen Tages. Ihn kann ich gelassen erwarten, er kommt von ganz allein. Bis dahin ist Sommer. Und sattes Grün.

Karsten Heitkamp ist Pastor in Groß Oesingen, Steinhorst, Hankensbüttel und Sprakensehl

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Foto: Jens Schulze
Pastor Karsten Heitkamp
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