Dieses Wort gehört für mich in den Bereich militärischer Konflikte oder repressiver Staaten. Und es gehört zu den Dingen, die sich vor einem Jahr kaum jemand für unser Land vorstellen konnte. „Hauptanwendungsfall für eine Ausgangssperre ist eine Notlage wie Krieg, Okkupation, Aufstände, Terrorismus“ (Wikipedia). Nicht wenige empfinden die derzeitige Lage in unserem Landkreis als entsprechend dramatisch.
Ich gehöre zu den Leuten, die sich in den letzten 10 Monaten an die verschiedenen Einschränkungen gewöhnt haben, mal mit mehr, mal mit weniger starken inneren Widerständen. Besonders schwer fällt es mir immer noch, wenn ich keine Gottesdienste feiern darf. Sie sind für mich der Kernbereich des kirchlichen Lebens und geben vielen Menschen Halt und Stärkung – mich eingeschlossen.
So sehr ich mich anfangs an der Ausgangssperre gerieben habe, so sehr habe ich mich mittlerweile auch an sie gewöhnt. Ich kann sehr gut verstehen, wie freiheitlich gesonnene Menschen Ausgangssperren und Kontaktverbote als überzogenen Eingriff des Staates in die Privatsphäre verstehen. Und Wachsamkeit ist an dieser Stelle allemal geboten. Aber die Ausgangssperre ist nicht nur ein Instrument der Freiheitseinschränkung, sondern „dient dem Schutz vor Gefährdung … oder dem Schutz Betroffener vor Gefährdung“ (Wikipedia). Unseren Politikern vertraue ich, dass sie mit diesem Instrument nicht leichtfertig umgehen. Ich denke, das konnte man bei der Pressekonferenz auch den Verantwortlichen unseres Landkreises abspüren.
Die auferlegten Ausgangs- und Kontaktsperren werden irgendwann enden. Wichtig wird es dann sein, diese Sperren auch wieder aus unseren Gedanken und Gefühlen zu entfernen. Wahrscheinlich werden sie bei etlichen Menschen fortwirken. Einige werden auf Dauer auf den Handschlag verzichten. Andere werden das in einigen Familien und Kreisen verbreitete Sichumarmen wohl zögerlicher anwenden.
Jesus berührte die Menschen, buchstäblich und übertragen. Er berührte ihre Seelen und Gedanken, ihre Gefühle und Verwundungen. Und oft tat er es auch körperlich. Unsere Haut ist vor allem ein Kontaktorgan - und erst in zweiter Linie ein Abgrenzungsorgan. Heilung ohne Berührung gelingt nur selten.
Wir können das Licht am Ende des Tunnels, von dem in diesen Tagen oft zu hören ist, schon jetzt heller machen. Helfen Sie mit, dass die auferlegten und notwendigen Sperren nicht die Wege zum Nächsten versperren! Was äußerlich eingeschränkt ist, kann innerlich unbeschränkt bleiben: die Aufmerksamkeit und Hinwendung zu unserem Nächsten. Dann grüßen wir eben in die Ferne; aber lasst uns grüßen! Dann reden wir eben nicht von Angesicht zu Angesicht; aber lasst uns miteinander reden! Dann berühren wir uns eben nicht körperlich; aber wir lassen uns dennoch von Freud und Leid unseres Nächsten anrühren!
Bleiben Sie behütet und gesund!
Dr. Heinrich Springhorn ist Pastor in Hankensbüttel und Sprakensehl
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