Zeit

31. Dezember 2022

Eine alte Sage erzählt von einem Menschen, der am Meer entlang geht. Bald findet er ein Säckchen mit Steinen, sorgfältig verschnürt. Während er den Strand entlanggeht, öffnet er gedankenverloren den Beutel. Ein Steinchen nach dem anderen lässt er durch die Finger gleiten. Er denkt an die Geschäfte, die er vorhat, und an die Stadt, in die er gehen möchte. Er schaut auf das Meer, auf dessen Wellen die Möwen schaukeln. Hin und wieder nimmt er ein Steinchen aus dem Beutel und wirft nach ihnen. Spielerisch jongliert er sie in seinen Fingern, einige fallen in den Sand, etliche versinken im Wasser.

Langsam leert sich der Beutel. Als nur noch ein Steinchen übrig ist, steckt er es ein und nimmt es mit nach Hause. Sein Schrecken ist riesig, als er abends im Kaminlicht erkennt, welchen Stein er in seinen Händen hält: es ist ein herrlich funkelnder Diamant! Wie gedankenlos hat er den riesigen Schatz verschleudert! Er läuft den Weg zurück, sucht im Sand, gräbt mit seinen Händen, irrt im Wasser umher, dreht jedes Blatt und jeden Stein um. Aber sie bleiben verloren. Kein Zetern und Zagen, kein Klagen und Schreien, keine Reue oder Selbstanklage können ihm den verlorenen Schatz zurückbringen.

Wie Edelsteine lassen wir oft den Schatz der Zeit durch unsere Hände gleiten. Spielerisch werfen wir ihn fort. Der Traum von großen Projekten und Zielen bindet die ganze Aufmerksamkeit. Wir phantasieren die Zukunft und verschleudern Tage, Wochen und Monate. Und abends kommt das bittere Erwachen: Was habe ich nur getan?

Zum neuen Jahr wird uns ein neues Säckchen an den Weg gelegt. Nehmen wir es auf und schauen hinein. Lasst uns die Schönheit der Steinchen gleich erkennen! Vielleicht sind einige schwere darin, die für größere Entscheidungen und wichtige Vorsätze stehen. Ganz sicher aber viele kleine, die für die Tage und Wochen, besonders aber für die vielen unscheinbaren Begegnungen im Jahreslauf stehen. Gott schenkt uns die Zeit, mit ihren Zufällen, Chancen und Gelegenheiten. Lasst sie uns nicht achtlos verspielen.

Dr. Heinrich Springhorn ist Pastor in Hankensbüttel und Sprakensehl

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Dr. Heinrich Springhorn
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