Gutmenschen sind seit langem unten durch. Das Wort ist in der Regel als Beschimpfung gemeint, es wertet Menschen ab, die möglichst alles richtig machen wollen, ihnen wird Naivität und Realitätsverlust und Moralisierung und Missionsgehabe vorgeworfen. Und der Vorwurf verfängt: Wer kennt nicht Leute, die es mit dem Guten wirklich übertreiben?
Ich frage mich trotzdem: Was ist denn an diesen Menschen so schlimm? Irgendwie wollen wir es doch (fast) alle möglichst gut machen, davon gehe ich jedenfalls erstmal aus. Wenn sich niemand mehr um das Gute bemühen würde, dann würde unserer Welt doch etwas Entscheidendes fehlen. Nicht immer kommt das Gute von allein.
»Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.« Im Wochenspruch für die kommende Woche (Micha 6,8) ist es eigentlich ganz einfach: Du kennst doch, was gut und richtig ist – also tu das Gute und Richtige. Wenn es denn mal so einfach wäre. Darüber, was es heißt, zum Beispiel Gottes Wort zu halten, können die Ansichten ziemlich auseinandergehen.
Vielleicht ist das auch das Problem: dass die sogenannten Gutmenschen und diejenigen, die sie so bezeichnen, ihr eigenes Gutes und Richtiges für absolut halten und nicht bereit oder in der Lage sind, sich miteinander über ihre unterschiedlichen Ansichten auseinanderzusetzen. Es ist nicht hilfreich, andere als »Gutmenschen« herabzuwürdigen, und genauso wenig ist es hilfreich, gebetsmühlenartig darauf zu verweisen, aus welcher politischen Ecke der Gutmenschenanwurf meistens kommt. Auf der Strecke bleibt dabei das Gute.
Und das ist doch von uns gefordert. Wenn ich den Wochenspruch ernstnehme, dann wird es erst gut, wenn ich nicht immer nur auf mich selbst und auf mein Gutes und Richtiges starre, sondern den Blick auf mein Gegenüber richte: auf Gott (»sein Wort halten«, »demütig sein«) und auf die anderen Menschen (»Liebe üben«). Es heißt ja auch nicht: »Du weißt genau, was gut ist«, sondern: »Es ist dir gesagt, was gut ist«.
Das Gute wächst nicht auf meinem Mist, sondern woanders. Und wenn ich versuche, es zu tun, wird es am Ende in der Regel nicht vollständig, sondern allenfalls einigermaßen gut. Versuchen soll ich es trotzdem. Auf die Gefahr hin, damit in den Augen anderer ein Gutmensch zu sein.
Karsten Heitkamp ist Pastor im Westen des Isenhagener Landes
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