Bin ich bereit?

06. Dezember 2025

Ich erinnere mich an einen kleinen Weihnachtsmarkt in meinem Heimatort. Ich war acht Jahre alt, und der Nikolaus erschien mir wie ein Riese: roter Mantel, weißer Bart, ein Sack voller Geheimnisse. „Na, Jungchen? Hast du ein Gedicht?“ Ich nickte und stammelte los: Von draußen vom Walde komm ich her, ich muss dir sagen, das gefällt mir sehr, mal einmal in Erinnerungen schwelgen und mein Bravsein zu vermelden. Denn nur so, das weiß ich wohl, bekam ich Schokolade und keinen Kohl oder wenigstens eine Mandarine, wenn ich Knecht Ruprecht richtig zitierte.

In der Erinnerung ist alles größer: der Nikolaus, der Duft, das Leuchten der Lichter. Und doch hat sich etwas verändert. Heute muss kaum ein Kind ein Gedicht aufsagen, und „artig sein“ klingt nach einer anderen Zeit. Aber eines ist geblieben: die Sehnsucht nach einem Moment, in dem uns etwas überrascht, in dem wir spüren: Ich werde gesehen. Ich bin gemeint.

Vielleicht ist das der Kern des Nikolaustages: Nicht die Rute, nicht die Moral, nicht das Gedicht. Sondern der Mut, sich beschenken zu lassen. Die alten Geschichten erzählen, dass Bischof Nikolaus heimlich half, Schutz bot, Gutes gab, ohne zu fragen, ob jemand es verdient hatte. „Machet die Tore weit und die Türen hoch, dass der König der Ehre einziehe!“ 

Nikolaus hält mich an. Bin ich bereit, meine Türen zu öffnen? Bin ich bereit, dem König der Ehre hineinzulassen? Manchmal merke ich, dass an der alten Gut-und-Böse-Geschichte mehr hängt, als ich selber glauben will. Aber nicht im Sinne einer aufgesetzten Moral, die sich über andere erhebt oder mit der Rute durchsetzt. Vielmehr geht es um mein inneres Ringen: bereit zu sein, auch das Gute zuzulassen.

Auf diese Weise ist die Tradition von Nikolaus weit mehr als die nächste Marketingstrategie einer Konsumgesellschaft. Sie erinnert mich: Öffne ich meine Tür für das Gute? Oder, um es mit den Worten von Theodor Storm zu sagen: „Nun sprecht, wie ich‘s hier innen find! Sind‘s gute Kind, sind‘s böse Kind?“

Und ich stehe da, wie damals auf dem Markt, blicke auf den roten Mantel, den großen Sack, und spüre: Die Tür, die ich öffne, ist auch die Tür, durch die das Leben hereinkommt.

Johann Staak ist Pastor in Brome, Tülau und Ehra

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Pastor Johann Staak
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