Ich bin eingerichtet. Ich hab‘ mein Haus, meinen Garten, meinen Alltag, meine Familie, meine Gewohnheiten. Alles ist vielleicht etwas konventionell, etwas konservativ, aber es hält. Ein sicheres Haus. Es ist geschützt in meinem Kopf. In meinen Gedanken. Wie ein Haus in einem Glas. Keiner kann dran, und man darf nur gucken durch Glaswände.
Die Haustür führt rein ins Dunkle. Das Dunkle ist das Immer-Gleiche, Immer-Dasselbe. Meine Sicherheit ist erkauft mit Leben. Im Haus ist kaum Licht, nichts bewegt sich mehr. Alles ist eingerichtet, aber es atmet nur noch schwach, keine neuen Ideen, kein Weckruf: "Was Neues! Was Neues!" Nur mein Gedankenhaus. Das Haus im Glas.
Im Dach klafft ein großes Loch. Aus dem Loch wächst ein goldener Baum nach oben. Sein mächtiger Stamm wächst hoch, hoch, hoch nach oben. Sein Wipfel ragt weit aus dem Glas heraus. Dort, wo er Zweige hat, wo die grünen Nadeln sind, da ist das Glas zu Ende. Keine Sicherheit mehr. Kein schützendes Gefäß, aber dafür frische Luft und Kraft und Leben und Wind und Duft und Schwung. Ach ja. Wie herrlich ist das! Ich will den ganzen Tag singen und tanzen und pfeifen. Auf allen Zweigen des goldenen Baumes sitzen Vögel. Überall Vögel, auf jeder Seite. Sie sitzen im hohen Baum der Freiheit und schauen in alle Richtungen in das Land umher. Was gibt es Neues? Was kann ich heute anders machen? Was hat Gott für mich schon vorbereitet, was ich noch gar nicht weiß?
Mein Kopf-Häuschen steht im Glas, das nimmt mir keiner weg. Aber bevor aus diesem Holzhaus ein Knast werden kann, da wächst aus seinem Dach ein Baum hoch in die Freiheit, in die Zukunft, in neue Ideen, neue Freundschaften, neue Chancen, neues Leben.
Das Bild des Hauses im Glas ist wie ein Traum, weil es nicht wirklich ist, aber trotzdem ist es real. Ein goldenes Bäumchen gibt es nicht, sollte es aber vielleicht. Einen Goldbaum kann jeder und jede haben, und ich werde erkennen, welche Leute um mich rum schon einen solchen Goldbaum haben. Und vielleicht werden wir geheimnisvoll darüber sprechen, wie der Baum gewässert, gedüngt und gepflegt werden kann, damit er bleibt und gedeiht. Vielleicht.
Florian Herterich ist Pastor in Radenbeck, Zasenbeck, Knesebeck, Eutzen, Vorhop und Schöneworde
Alle AnsprechpartnerInnen in unseren Gemeinden finden Sie hier.