Andacht zum Sonntag

12. Juli 2020

Einer trage des andern Last

Kann sein, dass ich an dieser Stelle schon mal über Fußball geschrieben habe. Bisher hat mich selbst Corona nicht davon abbringen können, mich für Fußball zu interessieren. Mein Verein ist der BVB; Bayern, Schalke und Wolfsburg sind aus unterschiedlichen Gründen indiskutabel. In meinen Predigten kommt es immer wieder mal vor, dass ich Vergleiche aus dem Fußball heranziehe. Meistens finde ich die auch ganz passend.

Mit dem Spruch für die kommende Woche funktioniert das leider nicht so richtig. Da lässt sich der Fußball allenfalls als Anti-Beispiel nehmen. Im Fußball geht es ja darum, dass einer gewinnt. Und wenn einer gewinnt, dann gehört unweigerlich das Gegenstück dazu, nämlich dass der andere verliert. Im Sport geht es meist um Wettbewerb. Das Ziel: Besser sein als andere. Anderen etwas voraushaben, andere auf Abstand halten, ihnen den Rang ablaufen. Und der andere hat auch einen Namen: Er ist der Gegner. Wenn, wie im Fußball, zwei Mannschaften gegeneinander antreten, ist meist eine Menge Taktik im Spiel. Die andere Mannschaft soll in ihrer Entfaltung gehindert werden, sie soll nicht zum Zug kommen, kein eigenes Spiel entwickeln können. Gerade das macht ja den Reiz eines packenden Fußballspiels aus.

Fürs normale Leben taugt so etwas nicht. Natürlich kann man unser Miteinander auch als Konkurrenzkampf beschreiben, in dem sich nur der Stärkere durchsetzt. Wenn ich in unsere Welt blicke, dann sehe ich viel zu oft, dass sie eingeteilt ist in Gewinner und Verlierer, in oben und unten, in reich und arm, in gesund und krank. Man muss sehen, wo man bleibt, sonst kommt man unter die Räder. Es gibt sicherlich genug Leute, die nach dieser Devise erfolgreich sind; und mindestens ebenso viele, die dabei auf der Strecke geblieben sind.

Der Apostel Paulus ist eigentlich nicht dafür bekannt, die Gesellschaft und ihre Regeln umkrempeln zu wollen. Aber er sieht in Jesus Christus trotzdem eine neue Zeit angebrochen und mahnt die christlichen Gemeinden, sich dieser neuen Zeit entsprechend zu verhalten. Und dazu gehört für ihn auch, dass Christenmenschen einander nicht ausstechen, sondern einander dienen: »Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.« (Galater 6,2) Dient einander, seid einander hilfreich. Und zwar um Jesu Christi willen – weil er es so gewollt hat und immer noch will.

Als vor fast 50 Jahren meine Eltern geheiratet haben, ist dieser Vers ihr Trauspruch gewesen. Paulus hat zwar vor allem an die christliche Gemeinde gedacht. Aber für eine Ehe finde ich ihn genauso passend. Wo, wenn nicht in einer Ehe, geht es darum, einander zu dienen, sich gegenseitig Lasten abzunehmen. Dafür geht man doch zu zweit durchs Leben, dass man den andern trägt, wenn es mal nicht anders geht. Als wir im letzten Jahr meinen Papa beerdigt haben, haben wir viele Anknüpfungspunkte in seinem Leben gefunden. (Natürlich auch Dinge, in denen ein Mensch die eigenen Ansprüche nicht einlöst; aber diese unaufgeräumten Ecken gibt es in jedem menschlichen Leben.)

Jetzt bin ich seit kurzem selber Vater. Und erlebe schon in den ersten Wochen, was es heißt, füreinander da zu sein. Wir als Eltern könnten mühelos unser Kind übertrumpfen und ihm seine Unzulänglichkeit aufzeigen. Das hat aber keinen Sinn. Wollen wir auch gar nicht. Wir wollen es lieber unterstützen, ihm helfen, zunehmend auf eigenen Füßen zu stehen. Vielleicht wird Lisa ja mal Fußballerin. Nicht, dass ich mir das wünschen würde; aber kann ja sein. Dann hoffe ich, dass wir ihr mit auf ihren Weg geben können, dass im Leben andere Dinge zählen, als immer nur Gewinner zu sein. Nämlich: einander die Lasten zu tragen. Um Christi willen und um der Menschen willen.

Karsten Heitkamp ist Pastor in Groß Oesingen und Steinhorst

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Foto: Jens Schulze
Pastor Karsten Heitkamp
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