Andacht zum Sonntag

19. April 2020

Christus im Frack

Folgende Geschichte wird erzählt: Der Kommunist und Schauspieler Alexander Rostowzew soll zur Zeit Chruschtschows die Hauptrolle in einem Stück zur Verunglimpfung der christlichen Religion spielen. Der „Altar“ auf der Bühne ist aus Schnaps- und Bierflaschen zusammengesetzt, grölende und betrunkene Mönche und Nonnen torkeln um die Altartheke herum.

Das Theater ist bis auf den letzten Platz ausverkauft. Vertreter von Partei und Jugendorganisationen sind anwesend und erwarten, dass Rostowzew die Besucher zu Lachstürmen gegen das Christentum animiert. Alles, was an Dummheit, Aberglauben und Übertreibungen im christlichen Glauben geschehen ist, wird in die Witze und Späße gepackt.

Zu Beginn des zweiten Aktes betritt der Schauspieler erneut die Bühne. Er hat die Bibel in der Hand und soll mit seinen Späßen fortfahren. Er beginnt und liest: „Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden. Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen.“ Der Regisseur hinter der Bühne freut sich auf die kommenden Lacher, aber nichts geschieht. Die torkelnden Mönche und Nonnen bleiben stehen, die Zuschauer stumm. Rostowzew fährt fort: „Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden. Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“

Etwas geht in dem Schauspieler vor. Das Publikum hält den Atem an. Regie und Parteivertreter werden unruhig. „Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen. Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ In die Stille des Saales hinein liest der Schauspieler alle 48 Verse aus der Bergpredigt nach Matthäus. Die Menschen lauschen, als stünde Jesus selbst vor ihnen. Rostowzew schließt das Buch. Niemand protestiert oder pfeift. Stumm verlassen alle den Saal. Das Stück kam nicht wieder zur Aufführung.

Ganz gleich wie die Zeiten sind, die Bergpredigt entfaltet ihre Wirkung. Sie lässt mich nicht kalt. Sie berührt mein Herz und Gewissen, auch wenn ich nicht immer eindeutige Handlungsanweisungen aus ihr ableiten kann. Aber das muss auch gar nicht sein. Vielleicht ist es wichtiger, dass Geist und Herz auf Frieden und Barmherzigkeit gestimmt sind, um dann auf der Basis von bestem Wissen und Gewissen die nötigen Entscheidungen zu treffen.

Wir brauchen in diesen Zeiten mutige und klare Entscheidungen. Wir brauchen aber auch die Bereitschaft, uns von diesen Entscheidungen leiten zu lassen. Gerade dann, wenn sie wenig später schon wieder verändert und angepasst werden müssen.

Gott gebe uns den Mut, Entscheidungen zum Wohle unserer Mitmenschen zu treffen und zu tragen!

Ihr Dr. Heinrich Springhorn, Pastor in Hankensbüttel und Sprakensehl

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Dr. Heinrich Springhorn
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